Wahnsinn gesteigerte Lust an den Circusspielen (insemia et furor circi)
rief in der Kaiserzeit zwei neue Parteien ins Leben, die grüne und blaue
(factio prasina und veneta), zu denen sich unter Domitian, jedoch nur
vorübergehend, eine fünfte und sechste Partei, eine goldene und purpurne
(aurea und purpurea) gesellten. Etwa am Ende des dritten Jahrhunderts
unserer Zeitrechnung verbanden sich die vier älteren Factionen in der
Weise, dafs die albata zur prasina, die russata zur eeneta übertrat und
die blaue und grüne Partei die dominirenden wurden, ohne dal's jedoch
die weifse und rothe zu existiren aufgehört hatten. In diese vier Farben
gekleidet erblicken wir die Wagenlcnker auf der unter Fig. 493 abgebil-
deten Mosaik aus Lyon. In Ermangelung einer farbigen Copie sind hier
die Farben der Tuniken nach der in der Heraldik gebräuchlichen Bezeich-
nung durch verschiedene Schattirungen angedeutet: die schrägen Striche
bedeuten die grüne, die wagrechten die blaue, die senkrecht gestellten die
rothe Farbe, während die nicht schattirten Gewänder weifs sind. Wäh-
rend nun in Rom wohl nur die Wagenlenker oder diejenigen Personen,
Welche die WVagen und Pferde lieferten, also die Magistrate und der Kaiser,
die Parteien bildeten und sich durch Farben kennzeichneten, traten in
Byzanz, wo Constantin in dem bereits von Severus angelegten Hippodrom
den Factionen (555400) besondere Sitze einräumtc, alle diejenigen, welche
sich durch Geldbeiträge an den Spielen bethciligten, diesen Corps bei
und nahmen hier den Charakter politischer Genossenschaften an, welche,
je nachdem die eine oder andere Partei die mächtigere war und die Kaiser
sich zur blauen oder grünen bekannten, mehr als einmal den Hippodrom
zum Schauplatz ihrer mörderischen Kämpfe machten. Bekannt ist jener
Kampf im Hippodrom unter Anastasius im Jahre 501, bei dem mehr als
3000 Bürger ihren Tod fanden; noch denkwürdiger aber jener mit dem
Namen der Nika-Empörung bezeichnete Aufstand der Parteien zu Con-
stantinopel unter der Regierung Justinian's im Jahre 532, bei welchem
nach dreitägigem Gemetzel der Kaiserthron nur durch die germanischen
Kerntruppen unter Belisar's Commando gerettet wurde, 30,000 Menschen
ihr Leben einbüfsten und die herrlichsten Gebäude der Stadt in Asche
gelegt wurden. Die Lenkung der für diese Rennen bestimmten Wagen
hatten in alten Zeiten Bürger übernommen, während später für dieses Ge-
schäft, welches, wenn auch nicht ehrlos, wie das des Gladiators und Schau-
spielers, doch für einen Freigebornen unehrenhaft war, theils Sklaven, theils
Freigelassene ausgewählt wurden; dieselben hatten, bevor sie öffentlich
auftreten durften, eine tüchtige Schule durchzumachen, in welcher sie mit
der Dressur der Pferde und dem Wagenlenken vertraut gemacht wurden.