Volltext: Das Leben der Griechen und Römer

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Die Priesterthümer. 
Die Vestalinnen. 
konnte sie, wenn sie es nicht verzog, wie es in den meisten Fällen ge- 
schah, im Dienste der Göttin zu verbleiben, in das bürgerliche Leben 
zurücktreten und sich verheirathen. Ihre Tracht War stets weil's; um 
ihre Stirn schlang sich diademartig ein breites Stirnband (infula), von 
welchem Bänder (eittae) herabtielen, und während des Opfers oder bei 
feierlichen Aufzügen bedeckte sie ein weifser Schleier (sujßbulzvnt), der 
unter dem Kinn durch eine Fibula zusammengehalten wurde. So er- 
scheinen auf einem von Gerhard (Antike Bildwerke Taf. XXIV mitge- 
theilten Basrelief eine Anzahl vestalischer Jungfrauen im feierlichen Auf- 
zuge, vielleicht als Theilnehmerinnen an der Pompa eines triumphirenden 
Feldherrn; so ist auch auf dem unter Fig. 487 abgebildeten Relief die 
Vestalin Claudia Quinta bekleidet. Ebenso streng wie die Vestalin gegen 
sich selbst in der Beobachtung ihrer Ordensregel sein mufste, schützten 
sie aber auch die Gesetze vor jeder Unbill und Versuchung. Eine Belei- 
digung ihrer Person zog den Tod des Beleidigers nach sich; kein Mann 
durfte ihre Wohnung betreten, kein Mann bei Nachtzeit den Tempel, und 
bei ihrem öffentlichen Erscheinen wich Jedermann, selbst der Consul, ehr- 
furchtsvoll dem der Jungfrau voranschreitenden Lictor zur Seite. Bei den 
öffentlichen Spielen und den Pontificalmahlen wurden ihnen die Ehrenplätze 
eingeräumt, und der verurtheilte Verbrecher entging, wenn er auf seinem 
letzten Gange zufällig einer Vestalin begegnete, der Bestrafung. Zu ihren 
priesterlichen Functionen gehörte zunächst die Unterhaltung des ewigen 
Feuers im Tempel der Vesta, welchen Dienst sie abwechselnd versahen; 
erlosch die Flamme, so traf sie eine körperliche Züchtigung durch den 
Pontifex Maximus. Wie aber neben dem Feuer das Wasser zu den ersten 
Bedürfnissen des häuslichen Heerdes gehört, so hatten die vestalischen 
Jungfrauen auch den Tempel der Vesta, der den Heerd des Staates ein- 
schlofs, täglich mit YVasser aus der Quelle der Egeria zu besprengen und 
denselben mit dem reinigenden Lorbeer zu schmücken, ein Schmuck, 
welcher am 1. März jedes Jahres erneuert wurde. Hierauf bezieht sich 
auch jener auf Fig. 486a neben einem Rauchaltar liegende Lorbeerzweig, 
wenn wir es nicht vorziehen, den Lorbeer und Rauchaltar auf dieser Dar- 
stellung als einen nothwendigen Bestandtheil jeder Opferhandlung überhaupt 
zu erklären. Die Besprengung aber wurde mittelst des Weihwedels 
(aspergillum) vorgenommen, der auf Fig.486h dargestellt ist, und zwar 
hier in Form eines Pferdefufses, an dem ein Pferdeschweif befestigt ist, 
während derselbe auf Münzen mit einem gewundenen Stiel abgebildet 
wird. Vielleicht läfst sich die Form des Aspergillum auf unserem Relief 
aus einer Ceremonie erklären, welche mit dem an den Idus des October
	        
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