Die Priesterthümer.
Die Pontiüces.
Die
Flamines.
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da die Pontifices allein die Kenntnifs der jedem Gotte wohlgefälligen
Opfer besafsen. Bei der Weihung eines Ortes zur heiligen Stätte, eines
Gegenstandes, wie z. B. einer Statue oder eines Gefäfses zum heiligen
Gebrauch, hatten sie zuvor ihr geistliches Gutachten abzugeben und den
der Dedication unmittelbar vorangehenden Weiheact (consecratio) zu voll-
ziehen; bei Vergehungen, welche im Hause gegen die Sacralvorschriften
begangen waren, bei Tod und Begräbnifs, wo eine Sühne der Manen er-
forderlich war, beim Begraben des Blitzes wurden sie um Rath gefragt
und gaben die Entscheidung über die Art und Weise der Entsühnung
(expiatio) an.
Zu den mit diesem Collegium verbundenen Priesterthümern gehörte
zunächst der Opferkönig (wen; saerorum oder rex saclrzßculus), eine geist-
liche .Würde, welche zur Zeit der Königsherrschaft stets der König be-
kleidete, die nach deren Vertreibung aber auf einen Priester überging,
welchem die Besorgung gewisser geistlicher Handlungen, namentlich der
sacra des Ianus, übertragen war. Waren nun auch seine Functionen kei-
nesweges von solcher Bedeutung und Ausdehnung, wie die der Pontifices,
so nahm er unter ihnen doch mit Rücksicht auf seine ursprüngliche
Würde formell ein höheres Rangverhältnifs ein, indem ihm bei den Fest-
mahlzeiten der Pontifices, sowie bei anderen Festlichkeiten der erste Platz
eingeräumt wurde. Ihm zur Seite stand als Theilnehmerin des Priester-
thums seine Frau, die regina sacrorum.
Die Pontifices sowohl, wie mehrere andere Collegia, z. B. die fratres
Arvales, die sodales Augustales, hatten Opferpriester (jlanzivaes) zur
Seite, deren Name von jlare, das Feuer anblasen, abgeleitet wird. Der
mit dem Collegium der _Pontifices verbundenen Flamines waren fünfzehn,
von denen die drei ersten, der ßalmevz dialis, martialis und guirinalis,
als jlanzines wzaiores bezeichnet, stets aus Patriciergeschlechtern genommen
wurden und Sitz und Stimme im Collegium hatten, während die zwölf
anderen flamines minores genannt wurden. Frei von allen Pflichten des
bürgerlichen Lebens war der Flamen Dialis mit Frau und Kindern und
seinem ganzen Hause, der auf dem palatinischen Hügel gelegenen domzw
jlaminia, ausschliefslich dem Dienste der Gottheit geweiht. Nur der Tod
konnte seine Ehe lösen, keinen Schwur durfte er leisten, kein Pferd be-
steigen, kein bewaffnetes Heer sehen, keine Nacht aufserhalb seines Hauses
zubringen, nichts Ünreines durfte seine Hand berühren, daher auch keinem
Todten oder keiner Grabstätte sich nahen. Stets erschien er in seiner
Amtskleidung, bestehend in der aus dickem Wollenstolf von der Hand
seiner Frau gewebten Toga praetexta, laena genannt, die jedoch nicht