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Die Priesterthümer.
Die Pontiiices.
mit dem Bau und der Erhaltung jener ältesten, die beiden Tiberufer ver-
bindenden Holzbrücke in Verbindung gebracht wird (vergl. S. 403) bil-
deten zur Zeit der Könige ein Collegium von vier Priestern, welchen der
König in eigener Person als oberster Priester Vorstand. Diese ursprüng-
liche Mitgliederzahl des Collegium erhielt sich bis zum Jahre 300 v. Chin,
wo durch ein Plebiscit der Volkstribunen Q. und Cn. Ogulnius den Ple-
bejern ihre Aufnahme in die bis dahin nur von Patriciern besetzten Prie-
sterämter durchgesetzt wurde, und von da ab vier Patricier und eine
gleiche Zahl Plebejer dieses Collegium, mit einem aus ihrer Mitte ge-
wählten Oberpriester, dem pontyfew mawizzzus, an der Spitze, bildeten;
erst vom Sulla, dem Reformator vieler Priesterthiimer, wurde diese Zahl
bis auf fünfzehn vermehrt. In der Kaiserzeit pflegte man durch einen
Senatsbeschlufs dem Kaiser die Würde eines pontzjfex maximus zu über-
tragen, oder es nahm derselbe sie für sich geradezu in Anspruch; so
besitzen wir z. B. eine Statue des Hadrian in dem Pontiiicalcostüm mit
der Opferschale in der Hand (Clarac, Musee. Tom. II. pl. 945).
Unter den Culten, welche sich in den Händen des Collegium der Ponti-
{ices befanden, stand neben dem des Saturnus und der Ops der der Vesta
in erster Reihe. Neben ihrem am Forum gelegenen Tempel (vgl. S. 372,
489) hatte auch der Pontifex Maximus in der Regia" seine Wohnung.
Ebenso aber, wie der Heerd im Atrium des Hauses den Mittelpunkt bil-
dete und hier das Heiligthum der Penatcn und Laren sich befand, an
dem das Oberhaupt der Familie das Opfer für das ganze Haus vollzog
und vonden Jungfrauen die Flamme auf dem Heerde erhalten wurde,
war, da die staatliche Organisation sich nur als eine Nachbildung der
Familie darstellte, das Atrium der Vesta der Heerd des Staatsgebäudes,
an dem die Pontitices die Stelle der Familienhäupter, die Vestalinnen die
der Jungfrauen am häuslichen Heerde vertraten. Das Collegium der Ponti-
iices bildete mithin den Mittelpunkt der römischen Staatsculte, und als
solcher war es auch der Bewahrer des geistlichen Staatsarchives, in
welchem die von der Hand des Pontifex Maximus aufgezeichneten Annalen
über Ereignisse von religiöser Bedeutung (annales mawzizni),_die Ver-
zeichnisse über die heiligen Orte, Zeiten und Handlungen (libri Ponti-
jiciz"), die unter dem Namen der Zeges regiae bekannte Zusammenstellung
der ältesten Gewohnheitsrechte sacralen Inhalts, sowie die Protokolle über
die Verhandlungen und Entscheidungen des Collegium (commentarii pontd-
jicum), niedergelegt waren. Von diesem Collegium ging die jährliche
Verkündigung der Staatsgelübde (aollemnia votorum nuncupatio) aus;
bei allen sacralen Handlungen der Magistrate wurde dasselbe herangezogen,