Der
lchhandel.
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römischer Doctoren wohl die beste Gelegenheit gab, erwähnen, so mag
ein griechisches Vasenbild (Panofka, Bilder antiken Lebens. Taf. VII, 5)
hier als Beleg dienen, auf dem ein reisender Wunderdoctor unter dem
Dach einer Marktbude seine Kunst ausübt, indem er den Kopf eines Pa-
tienten, der mit Hülfe eines Dieners in höchst origineller Weise die zur
Bude führende Treppe hinaufgeschoben wird, befühlt.
Aufser diesen für den Handwerker- und ärztlichen Stand bestimmten
Tabernen gab es aber noch zahlreiche andere, welche durch die an ihre
Thürpfosten oder an die Säulen der davorliegenden Portiken angehefteten
Buchhändleranzeigen sich als Tabernen von Buchhändlern empfahlen. Am
Forum bei der Curie, im Vicus Sandalarius, sowie an vielen anderen be-
suchten Orten Roms befanden sich diese Läden, und so manche Namen
berühmter Firmen von Verlegern sind uns erhalten. Drinnen aber lagen
in Fächern (awnaria, nidz") wohlgeordnet die Bücherrollen in bald kost-
baren, bald einfachen Einbänden, und das Ab- und Zugehen von Käu-
fern, die lebhafte gelehrte Unterhaltung über die neuesten literarischen
Erscheinungen, die mit Lesern besetzten Sitze kündigten diese Buchläden
gleichzeitig als Versammlungsplätze der gebildeten Welt an. Natürlich
drängt sich bei den Berichten der alten Schriftsteller über die zahlreichen
und bändereichen Privat- und öffentlichen Bibliotheken, welche nicht allein
in Rom, sondern über das ganze Reich zur Kaiserzeit verbreitet waren,
bei der bekannten Leselust des römischen Publicums und bei der Schnellig-
keit, mit der dieselbe überall befriedigt wurde, die Frage auf, wie es
möglich gewesen sei, ohne Presse eine solche Verbreitung der Bücher zu
erzielen. Wir beantworten dieselbe mit den Worten Schmidfs in seinem
Buche: Geschichte der Denk- und Glaubensfreiheit im ersten Jahrhundert
der Kaiserherrschaft und des Christenthums S. 119, vwas in der Gegen-
wart für die Literatur die Presse ist, das war im Alterthum die Sklavereiß
Bereits auf S. 627 haben wir angedeutet, dafs in den Sklavenfamilien der
vornehmen Römer sich stets eine Anzahl gebildeter, vorzugsweise griechi-
scher Sklaven befunden habe, welche, als literatz" bezeichnet, Abschriften
von Büchern besorgten und Dictirtes niederzuschreiben hatten. Von diesen
Copisten wurden die ihnen übergebenen Manuscripte mit gröfster Schnellig-
keit mit Hülfe von Abkürzungen vervielfältigt, welche nach dem Erfinder
derselben, dem Tiro, einem Freigelassenen des Cicero, tironische Noten
genannt wurden. Diese Abschriften wanderten in die Läden der Buch-
händler (bibliopola), wenn nicht, was häufig vor-kam, der Buchhändler
neben seinem Laden gleichzeitig eine Ofiicin zur Anfertigung von Ab-
schriften besafs, und von hier aus fanden sie in Auflagen von oft vielen