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Die Sklaven als Handwerker.
innere Organisation dieser Collegien hier zu sprechen würde zu weit führen;
dieselben glichen mit ihren Herbergen (curia, schola), mit ihren Statuten
über Aufnahme neuer Mitglieder und der Ausstofsung unwürdiger Zunft-
genossen, mit ihren besonderen Privilegien einzelner Mitglieder, sowie für
die gesammte Corporation, in dem gegenseitigen Schutz des Gewerbe-
betriebes, zu welchem die Genossen einer und derselben Innung sich ver-
pllichteten, endlich mit ihren Sterbekassen in gewisser Beziehung wenig-
stens der Einrichtung der mittelalterlichen Zünfte. Ein Zunftzwang scheint
indefs nicht existirt zu haben. Die Concurrenz unzünftiger Handwerker
jedoch, einmal durch die Freigelassenen, welche als selbstständige Hand-
werker sich etablirten, dann durch fremde, namentlich aus Griechenland
nach Rom übergesiedelte Fabricanten, endlich dadurch, dal's die Sklaven
den gröfsten Theil der für den Hausstand der Reichen nothwendigen Ar-
beiten selbst ausführten, bewirkte, dal's das Zunftwesen sich niemals ge-
deihlich zu entwickeln vermochte. Uebrigens hatten diese Innungen ihre
althergebrachten Gebräuche, bestehend in festlichen, mit Opfern verbun-
denen und an bestimmten Festtagen angestellten Gelagen, welche in den
lnnungsherbergen abgehalten wurden; sodann in ölfentlichen, unter Vor-
tragung besonderer Gewerksfahnen (ivewilla) und vielleicht auch von Em-
blemen veranstalteten Aufzügen u. dgl. m. Vielleicht ist ein solcher Festzug
der Zimmerleute auf einem pompejanischen Wandgemälde (Archäol. Zeitg.
T. XVII. 1850. S. 177 ff.) dargestellt. Auf den Schultern junger Hand-
werker ruht eine Tragbahre, über welche sich ein mit Blumengewinden
geschmückter Baldachin erhebt. Auf derselben sieht man en miniatzare
dargestellt eine Tischlerbank, zwei in ihrer Arbeit begriffene Sägemänner,
sowie vorn wahrscheinlich die Figur des Meisters Daedalus. Ob die am
Boden liegende Figur auf den Perdix zu deuten sei, den Daedalus aus
Neid erschlng, müssen wir freilich dahingestellt sein lassen.
Mannigfache Monumente, aus denen wir einen Einblick in den Hand-
werksbetrieb und die dazu erforderlichen Instrumente gewinnen, sind uns
erhalten, und wollen wir im Nachfolgenden wenigstens einige derselben
einer näheren Betrachtung unterziehen. Auch hier werden die Läden und
Werkstätten Pompejfs einen willkommenen Anhalt bieten, und mannigfache
Darstellungen auf antiken Denkmälern, sowie aufgefundene Instrumente das
Bild vervollständigen. Was zunächst die Läden betrifft, in denen die
Handwerker zu arbeiten und gleichzeitig ihre Waaren auszustellen pflegten,
so wurden dieselben mit dem gemeinsamen Namen tabemae bezeichnet,
nach der ursprünglichen Ableitung des Wortes eigentlich Bretterbuden
(guod ea: tabulis olim jiebant Fest), wie solche in den ältesten Zeiten