Volltext: Das Leben der Griechen und Römer

cirte auf der Spitze des einen der Mastbäume bald auf beiden Füfsen 
oder auf einem, bald auf dem Kopfe stehend, erfafste hierauf, in jähem 
Sprunge sich vom Seil herabwerfend, dasselbe und führte an ihm, um 
in unseren Turnausdrücken zu reden, den Riesenschwung und die Knie- 
hangswelle aus, schofs darauf mit dem Bogen nach einem vorgesteckten 
Ziele und spazierte schliefslich mit geschlossenen Augen, ein Kind auf den 
Schultern tragend, auf dem Seile einher. In gleicher Weise werden so 
manche andere Seiltänzerstückchen erwähnt, zu denen auch die allerdings 
etwas unglaublich klingende, aber von mehreren Schriftstellern verbürgte 
Abrichtung von Elephanten gehört, die, wie Plinius (hist. nat. VIII, 2, 3) 
berichtet, auf Seilen einhergingen, wobei ihrer vier sogar einen einzelnen 
wie eine Kindbetterin in einer Sänfte getragen, und, nach Sueton (Nero 11), 
die schwierigste Aufgabe des Seiltanzes, das Herabsteigen (catadromus, 
decursio), von einem angesehenen römischen Ritter geleitet, ausgeführt 
hätten. In Rom führten zuerst im Jahre 390 d. St. Seiltänzer auf der 
Tiberinsel und später auf dem Theater unter den Censoren Messalla und 
Cassius ihre Kunststücke auf. Zur Kaiserzeit aber erscheinen sie mehr- 
fach bei der Feier der Ludi romani. So manche Unglücksfälle, welche 
wohl dabei vorgefallen sein mochten, vcranlafsten den Befehl des Kaisers 
Marcus Aurelius, dafs bei dem Seiltanz Polster unter dem Seile ausge- 
breitet werden sollten, an deren Stelle später Netze traten. Auch auf 
Kunstwerken wird uns der Seiltanz mehrfach veranschaulicht, so auf einem 
grofsen herculanischen Wandgemälde (Mus. Borbon. Vol. VII. Tav. L-LII), 
auf welchem Silenen in anmuthigen Bewegungen, hier thyrsusschwingend, 
dort auf Instrumenten spielend oder weinspendend, auf Seilen einhertanzen. 
Nicht mindere Beachtung verdienen aber zwei Bronzemünzen der Stadt 
Cyzicus, die eine mit dem Bilde des Caracalla, die andere mit dem der 
jüngeren Faustina, auf deren Reversseiten wir das Aufriehten, sowie das 
Besteigen von Thurmseilen durch Seiltänzer mit ihren Balancirstangen er- 
blicken. Die Bewohner dieser Stadt genossen im Alterthum eines besonderen 
Rufes als geschickte Akrobaten, und es wurden an den daselbst jährlich 
gefeierten Luculleia, welche später zu Ehren des Caracalla in Antonineia 
umgetauft Wurden, derartige Spiele veranstaltet. Auch der Petauristen 
geschieht unter der Schaar der Haussklaven Erwähnung, Leute, welche in 
einer Flugmaschine, dem Petauron, mannigfache Kunststücke auffiihrten, über 
deren Construction wir jedoch bei den sehr mangelhaften schriftlichen Nach- 
richten, sowie bei dem gänzlichen Fehlen monumentaler Zeugnisse durch- 
aus im Unklaren sind. Ferner wird von Equilibristen berichtet, welche Ge- 
fäfse mit Wasser auf langen Keulen balancirten, sowie von anderen, welche
	        
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