Das Bad.
Die Gymnastik.
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zu einem Modebade zu machen. Dorthin strömte daher Alles zusammen,
was auf guten Ton nach den laxen Begrilfen spätrömischer Zeiten An-
spruch machte. Tanz, Jagden, unerlaubtes Spiel, Völlerei und Unzucht
waren hier an der Tagesordnung, kurz man warf hier jede daheim durch
die Sitte vielleicht noch gebotene Fessel ab und überliefs sich so manchen
Freuden, deren Genufs von den Sittenrichtern allerdings eine herbe Mifs-
billigung zu erfahren hatte. Bajae war der Sitz des Lasters; ein deiner-
soriunz vitiorznn, wie es der strenge Seneca bezeichnet, und der Ton, den
Bajae im grofsartigcn Mafsstabe angab, mag sich im kleineren wohl in
vielen anderen römischen Badeorten wiederholt haben.
Der Erweiterung der eigentlichen Thermen durch anderweitige An-
lagen haben wir bereits gedacht. Da, wo der Platz es zuliefs, wurden
nämlich dieselben mit besonderen Räumlichkeiten verbunden, welche für
körperliche Uebungen vor und zum Lustwandeln und für gesellige Unter-
haltung nach dem Bade bestimmt waren. Auf dem unter Fig. 419 nieder-
gelegten Grundrils der pompejanischen Thermen sehen wir unter II einen
auf drei Seiten mit bedeckten Umgängen eingeschlossenen Hof, deren zwei
durch Säulengänge, der dritte dagegen durch eine überwölbte und durch
grofse Fenstern erhellte Halle gebildet werden. Dieser Raum bot zum
Umherwandeln (anabulatlio) nach dem Bade, der an denselben sich an-
schließende Saal (Fig. 419 I) aber zur Conversation hinlänglichen Raum.
Für körperliche Uebungen vor dem Bade finden wir hier zwar keine L0-
calität, wohl aber in dem unter Fig. 421 mitgethcilten Grundrifs der
grofsen 'l'hermenanlagen des Caracalla, in denen auf Ephebeen, Conisterien
und Räume für die Zuschauer der Ringkämpfe Bedacht genommen worden
war. Leichte körperliche Uebungen, welche die Muskeln stärkten und
Gewandtheit und Grazie bezweckten, gehörten zu den Lieblingsbeschäfti-
gungen der Römer, und nicht allein die Jugend tummelte sich wacker auf
den für die Uebungen bestimmten Plätzen, sondern auch der gereifte Mann
verschmähte -es nicht, an diesen Uebungen theilzunehmen, es traf sogar
denjenigen scharfer Tadel, der nicht täglich einige Zeit diesen Leibes-
übungen gewidmet hätte, und nur körperliche Gebrechen oder gelehrte
Beschäftigung, wie unter anderen beim Cicero, konnten die Nichttheilnahme
entschuldigen. Schon frühzeitig hatten die Römer von den Hellenen die
Gymnastik angenommen, nie jedoch hatte jene mit dem griechischen Volks-
charakter so eng verknüpfte edle Agonistik imter ihnen tiefe Wurzel ge-
schlagen, nie war dieses Institut hier zu solcher Blüthe gediehen, wie bei
den Griechenß Die mannigfachen von der römischen Jugend getriebenen
Leibesübungen bestanden vorzugsweise aus denjenigen, welche als eine