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Die Tracht.
Schmucksachen.
den ersten Kaisern der Versuch gemacht, die alten Bestimmungen über
das Recht der Führung des Goldreifs wieder herzustellen; es hatte aber be-
reits und erhielt fortwährend eine so grofse Anzahl Freigelassener von den
Kaisern selbst diese Auszeichnung, dal's der Goldring nach und nach seine
ursprüngliche Bedeutsamkeit gänzlich verlor. Seit Hadrian galt derselbe
schon nicht mehr als das Unterscheidungszeichen eines besonderen Standes,
und Justinian gestattete sogar allen Bürgern, Freigeborenen sowohl wie
Freigelassenen, das Recht diesen Goldring zu führen. Wie dieser Ring
ausgesehen habe, wissen wir freilich nicht, können aber wohl annehmen,
dal's derselbe ein einfacher, schwerer Goldreif, ähnlich unseren T rauringen,
gewesen sei. Derselbe mufste zum Unterschiede von allen anderen, mit
Steinen geschmückten Ringen, deren Gebrauch ja Männern wie Frauen
ohne Unterschied zustand, seine althergebrachte Form stets bewahren und
durfte sicherlich nicht nach der gerade herrschenden Mode verändert wer-
den. Was hingegen jene mit Edelsteinen und Gemmen verzierten Ringe,
über welche wir im ersten Abschnitte dieses Buches auf S. 204 lf. aus-
führlicher gesprochen haben, betrifft, so ging die Liebhaberei für dieselben
und der Luxus, der vorzugsweise mit schön geschnittenen Steinen ge-
trieben wurde, wohl durch alle Schichten der Bevölkerung hindurch. Fast
alle Ausgrabungen fördern solche Ringsteine zu Tage, und aus der Ver-
gleichung des Styls dieser jetzt massenhaft in öffentlichen und Privat-
sammlungen aufbewahrten Monumente ist man imStande, einen Ueberblick
über die Leistungen der antiken Sphragistik von ihren glänzendsten Pro-
ductionen an, wie sie die Zeit Alexander's des Grofsen hervorbrachte, bis
auf die Zeiten des gänzlichen Verfalls der künstlerischen Anschauung und
Technik zu gewinnen. Freilich fehlt es, ebenso wie bei der Vasenmalerei,
an einer eigentlichen historischen Basis, vermöge welcher sich eine nach
bestimmten Perioden geordnete Entwickelungsgeschichte der Sphragistik
feststellen liefse, indem die zahlreich auf den Gemmen eingeschnittenen
Künstlernamen nur in den wenigsten Fällen historisch zu fixiren sind und
für die häufig vorkommenden Portraitköpfe die Zeit ihrer Anfertigung nur
annäherungsweise bestimmt werden kann. Dazu kommt, dafs, wie überall
in der Kunst, so auch in der Sphragistik neben den vollendetsten Lei-
stungen höchst schülerhafte und nachlässig gearbeitete nebenhergehen,
welche theils der Stümperhaftigkeit vieler Steinsehneider zuzuschreiben
sind, theils dem Umstande ihre Entstehung verdanken, dafs die allgemeine
Liebhaberei für geschnittene Steine einen handwerksmäfsigen Kunstbetrieb,
bei dem nicht die Schönheit der Darstellung, sondern nur die Wohlfeilheit
mafsgebend war, geradezu hervorrief, eine Erscheinung, welche sich ja