Die Tracht.
Haartracht der Frauen.
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Ein länglich Antlitz heischt auf blofsem Scheitel
Gespaltnes Haar, wie Laodamia es trug.
Dem runden Angesichte steht es wohl,
Wenn auf der Stirne sich das Haar in Knoten windet,
Die Ohren aber blofs und oiTen läfst;
Die eine lass' es sich um beide Schultern wehen,
Wie Sänger Phoebus steht, wenn er die Harfe schlägt,
Die andre bind' es, wie die rüstige Diana,
Wenn sie das aufgeschreckte Wild verfolgt,
Im Nacken in einander.
Die kleideüs gut, wenn los das Haar herunterweht;
Die andre mufs es sich in Fesseln schlingen;
Und diese wirft es in ein Netz u. s. w.
Diese kosmetischen Vorschriften waren aber hauptsächlich wohl für jugend-
liche Schönen berechnet, während die verheiratheten Frauen, in den Zeiten
der strengeren Sitte wenigstens, das Haar in ein hohes, von Binden ge-
haltenes und umwundenes Toupe, tutulus genannt, auf dem Wirbel des
Kopfes thurmartig anordneten; so wenigstens glauben wir die Erklärung
des Tutulus bei Varro (VII, 44) verstehen zu müssen: tutulus appellatur
ab eo quod matercs familias crines convolutos ad eerticem capitis guos
habent vitta eelatos, dicebantur tutuli, sive ab eo quod id tuendi causa
capilli jiebat, scive ab eo quod altissiwzzewz in urbe quod est, am, tutis-
simum vocatur. Vielleicht Wäre die Bezeichnung der Haartracht der Mutter
auf dem schon mehrfach erwähnten Wandgemälde (Fig. 470) mit tutulus
die richtige, nur dafs hier, wo die Mutter im festlichen Schmucke erscheint,
der Tutulus statt durch Binden von einem goldenen Reifen festgehalten
wird. Mit dem Verlassen der alten Sitte und mit der immer mehr um
sich greifenden Putz- und Gefallsucht der Römerinnen verschwand auch,
wenigstens unter den vornehmen Ständen, das ungekünstelte und deshalb
schöne Haarcostüm, und machte oft den ahenteuerlichsten, gleichviel ob
aus eigenen oder aus fremden Haaren aufgethürmten Frisuren Platz, wie
solche unter anderem Juvenal (VI, 502) in folgenden Worten schildert:
........Sicbauet
Sich auf den Kopf, und
auf Stockwerk
durch Bindebalken
Stockwerk
erhöht ihn
zum
Thurme.
Die Haarkosmetik bildete ein förmliches Studium und ihr wurde von den
vornehmen Damen ein nicht geringer Theil der Zeit gewidmet, welche
überhaupt fiir die Toilette bestimmt war. Besondere Dienerinnen, voll-
kommen eingeweiht in alle jene zahllosen Toilettenkünste, mit welchen
die Herrin ihre natürlichen Mängel vielleicht zu verbergen und die Augen
der Männerwelt auf sich zu ziehen versuchte, besorgten den Kopfputz