Die Tracht.
Männer.
Haartracht der
Kopfbedeckung der
Frauen.
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wieder mehr in Aufnahme. Den besten Anhaltspunkt für die Tracht bieten
die Münzen, welche wenigstens bis zur Zeit des Constantin eine ununter-
brochene Reihe ähnlicher Portraitköpfe der Kaiser liefern, während bei
den späteren Münzen zugleich mit der Verschlechterung der Typen über-
haupt auch jede Portraitähnlichkeit schwindet. Und in der That erscheinen
auf den Kaisermünzen die Kaiser nach Hadrian mit vollen Bärten und nur
einige derselben, wie z. B. Elagabalus, Balbinus, der jüngere Philippus und
Hostilianus, sind stets mit glattem Kinn dargestellt. Bei der Sorgfalt nun,
welche die Römer auf die Cultivirung des Bartes und Haares verwandten,
war es natürlich, dal's das Halten von Barbierstuben überall ein höchst
einträgliches Gewerbe bildete. Mit Scheermessern (novaczela), Zangen zum
Ausrupfen der Barthaare (volsellae), Scheeren (awisia), mit verschiedenen
Salben zum Vertilgen der Haare, mit Kamm (passten), Kräuseleisen (cala-
mistrunz), Spiegel (speculunz) und den nothwendigen Handtüchern waren
schon damals die Barbierstuben ausgestattet, welche, wie in Griechenland
(vergl. S. 193 f.) so auch in Italien, den täglichen Sammelplatz für die
Müfsiggänger und das Cerftrum alles Stadtgeklatsches bildeten. Freilich
dürfte der winzige Raum, welcher in der Mercurstrafse zu Pompeji neben
der Fullonia als Barbierstube bezeichnet wird, sich wohl zu klein er-
weisen, um gleichzeitig eine gröfsere Anzahl Personen zu fassen. Mög-
lieh, dal's die Hauptstadt glänzendem und geräumigere Localitäten aufzu-
weisen hatte.
Fast ebenso wenig Mannigfaltigkeit, wie die Kopfbedeckung der
Männer, bot die der Römerinnen dar. Frauenhiite scheint es nicht ge-
geben zu haben; hingegen wurde ebenso, wie von den Männern die Toga,
so von den Frauen die Palla sehr häufig über den Hinterkopf bis zum
Scheitel hinaufgezogen (vergl. Fig. 469). Noch bei weitem kleidsamer
War der auf dem Scheitel befestigte Schleier (Fig. 470), welcher in langen
Falten über den Nacken und Rücken herabwallte, eine Tracht, bei welcher
die Damen ebensoviel Grazie, als Coquetterie entwickeln konnten. Mehr
auf den Schutz des Kopfes, sowie auf Erhaltung des bereits geordneten
Haares berechnet war die mit'm, ein haubenartig um den Kopf geknüpftes
Tuch, ähnlich dem Sakkos der Griechinnen, wie solches auf dem die
Schmückung der Braut darstellenden Wandgemälde (Fig. 470) die Dienerin,
sowie auf der aldobrandinischen Hochzeit (Fig. 235) die vor dem Braut-
gemach opfernde weibliche Figur trägt. Die Stelle dieser Haube vertraten
nicht selten Thierblasen. Ueberall bedeckte, wie aus den bildlichen Dar-
stellungen hervorgeht, die Mitra den Kopf nur bis zur Mitte des Scheitels,
während vorn das Haar in anmuthigen Wellenlinien gescheitelt wurde.