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Die Tracht.
Die Stoffe.
Farbe der Gewänder.
liche Gestalt gerichtet ist. Die Stola dieser zweiten Tochter trägt unten die
oben erwähnte breite Instita; die offenen Aermel dieses Gewandes oder die der
unteren Tuniea sind längs des Oberarms aufgeschlitzt und ihre Ränder durch
Knöpfe mit einander vereinigt. Darüber hat sie eine leichte Palla togaartig
umgesehlungen. Eine hinter ihr stehende Dienerin, mit einer die Arme bis
zum Handgelenk deckenden Aermelstola und der Palla bekleidet, legt eben
die letzte ordnende Hand an den Haarputz der jugendlichen Braut.
Was die Stoffe betrifft, aus denen die Gewänder angefertigt wurden,
so beschränkten sich dieselben bis zur Kaiserzeit auf Wolle (Zanea) und
Leinewand (lintea). Zur Toga wurde stets Wolle benutzt; unter der in-
ländischen behauptete die aus Apulien und Tarent, von der ausländischen
die aus Samos und Lakonien den Vorrang, während man bei der Leine-
wand, aus welcher hauptsächlich die Unterkleidcr der Frauen angefertigt
wurden, der spanischen und ägyptischen den Vorzug vor der italischen
gab. Beide Stoffe, vorzugsweise aber die Wolle, wurden bald zu dichteren,
für den Winter bestimmten, bald zu leichten Sommergewändern verarbeitet.
Seidene Kleider, nämlich ganzseidene (holoserica) und halbseidene (sub-
serica), begannen die Frauen bereits zu Ende der Republik zu tragen,
und zur Kaiserzeit wurden, trotz der von Titus erlassenen Verbote, die-
selben sogar bei den Männern gebräuchlich. Ueber die Art, wie die rohe
Seide von Asien nach Griechenland und von dort nach Italien in den
Handel kam, haben wir bereits oben (S. 187) das Nöthige beigebracht.
Hier fügen wir nur noch hinzu, dal's jene feinen, durchsichtigen Schleier
von meergrüner Farbe, wie sie vorzugsweise auf der Insel Kos angefertigt
wurden, mehrfach auf Wandgemälden vorkommen (vergl. Museo Borbon.
Vol. VIII. Tav. 5. III, 36. VII, 20).
Die für die Gewänder übliche Farbe war in der älteren Zeit die
Weiße, bei der Toga sogar die gesetzlich vorgeschriebene, und nur die
ärmeren Volksclassen, Sklaven und Freigelassene bedienten sich der bräun-
lichen oder schwarzen und wenig schmutzenden Naturellwolle für ihre
Kleidung, jedesfalls aus derselben ökonomischen Rücksicht, wie heutzutage.
Nur während der Trauer oder im Anklagezustand legten auch die höheren
Classen dunkelfarbige "Gewänder an (toga pulla, sordida). In der Kaiser-
zeit jedoch, in der man, wie wir gesehen haben, sich mehr und mehr
von den alten Sitten trennte und selbst die Toga den leichteren Umhängen
Platz machte, kamen auch bei den Männern buntfarbige, namentlich schar-
lachene, violette und purpurgefärbte Kleider auf, wie solche früher nur
von den Frauen getragen worden waren. Diese bunten Farben der Ge-
wänder zu beobachten bieten uns die Wandgemälde die beste Gelegenheit.