95. Hatten die vorangehenden Abschnitte diejenigen Gegenstände zur
Anschauung gebracht, welche entweder zum nothwendigen Hausrath ge-
hörten, oder die der Luxus als unentbehrlich für eine nach römischen
Begriffen wohlausgestattete Einrichtung erachtete, so wird es jetzt unsere
Aufgabe sein, den Bewohner in seiner äufseren Erscheinung, in seiner
Tracht, in's Auge zu fassen. Dieselben Bedingungen, welche für die Klei-
dung der Griechen sich als mafsgebend herausstellten, einmal nämlich das
milde südliche Klima, dann aber der angeborene Sinn für eine geschmack-
volle Drapirung der Gewänder, kamen auch bei der Kleidung der Römer
zur Geltung. Das Klima Italiens und die wenigstens in den ersten Jahr-
hunderten der Republik auf Abhärtung des Körpers hinzielende Erziehung
der Römer liefsen eine die Gliedmaßen zu eng umhüllende Tracht über-
flüssig erscheinen; man beschränkte daher die Zahl der Kleidungsstücke
eben nur auf wenige Stücke, welche zum Schutz gegen die Einwirkungen
der Witterung, sowie zur Beobachtung des Anstandes nothwendig waren.
Diese wenigen Kleidungsstücke aber in einer dem Auge wohlgefalligen
Form um den Körper zu drapiren, hatten die Römer schon frühzeitig
von ihren griechischen Nachbaren gelernt, und kam ihnen dabei unstreitig
der dem Italiener eigene Sinn für einen malerischen Faltenwurf der Ge-
wänder sehr zu Statten. Trotzdem nun der Luxus einer späteren ver-
weichlichten Zeit so manche dem strengen und ernsten altrepublikanischen
Geiste wenig entsprechende Moden hervorrief, welche sich, in gleicher Weise
wie bei der häuslichen Einrichtung, so auch in dem Schnitt, dem Stoff
und der Farbe der Gewänder kundgaben, so bewahrten dieselben doch
zu allen Zeiten wesentlich ihre althergebrachten Grundformen.
Wie bei den Griechen sich die Kleidungsstücke in Epiblemata und
Endymata scheiden 41), begegnen wir auch bei der römischen Tracht
diesen beiden Formen unter der Bezeichnung von amvlctus und indutus,
deren erstere durch die Toga, die andere durch die Tunica repräsentirt
ist. Betrachten wir zunächst die Toga, jenen ächt nationalen Mantel, deren
sich die Römer bereits in der ältesten Zeit bedienten und die damals noch
ohne irgend ein Untergewand um den blofsen Körper geschlagen, Wohl
ziemlich eng sich an denselben anschlofs, während die spätere, bei Weitem
umfangreichere Toga mit der Fülle ihrer Faltenmasse weit um den Körper
bauschte. Ueber die Gestalt dieses Mantels, welcher als ein halbkreis-
förmiger Umwurf (nsgtßölutov iynunjxltov) bezeichnet wird, sind die
mannigfachsten Vermuthungen aufgestellt worden. Einige nahmen an, dal's
die Toga aus einem oblong gewebten Stück Zeug, in seiner Form also
den von uns in S 42 beschriebenen griechischen Epiblemata ähnlich, be-