Volltext: Das Leben der Griechen und Römer

Die Wandmalerei. 
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den Griechen Sitte gewesen sein mag. Soviel aber glauben wir aus einer 
Vergleichung der vorhandenen Wandgemälde mit den allerdings spärlichen 
Nachrichten, welche wir überhaupt über'cine national-römische Kunst- 
übung in den Zeiten der Republik besitzen, annehmen zu dürfen, dal's 
die besseren Gemälde, aus denen sich griechische Ansehauungsweise und 
Technik in gleicher Weise ausspricht, von griechischen, vielleicht an Ort 
und Stelle sefshaften Künstlern ausgeführt worden sind. Unstreitig gab 
es in allen Städten Zünfte von Stubenmalern, an deren Spitze vielleicht 
ein griechischer Meister stand; dieser lieferte auf Bestellung die Zeichnung, 
führte die besseren Bilder auch wohl selbst aus und überliefs den mecha- 
nischen und rein handwerksmäfsigen Theil der Ausführung den Mitgliedern 
der Genossenschaft, die denn auch wohl mitunter bei ungebildeten und 
weniger vermögenden Auftraggebern selbständig scbaffend auftraten und 
so manche jener in Composition und Ausführung gleich schülerhaften Ge- 
mälde angefertigt haben mögen, von denen Pompeji mannigfache Proben 
aufzuweisen hat. Doch selbst aus diesen spricht nicht selten eine gewisse 
Genialität, welche wir nur dem Einflufs griechischer Malerschulen zu- 
schreiben können. Um wicviel bedeutender zeigt sich aber dieser Einflufs 
in jenen phantastischen, oftmals mit frcmdartigen Elementen vermischten 
Compositionen, gegen welche Vitruv als Auswüchse des modernsten Ge- 
schmackes oder vielmehr des Ungeschmackes seiner Zeit so heftig eifert: 
vJetzt bemalt mane, sagt derselbe (Areh. VII, 3) wdie Bekleidung lieber 
mit Undingen, als mit wahren Abbildungen wirklicher Gegenstände. An- 
statt der Säulen stellt man Rohrstengel dar, anstatt der Giebel gereifte 
Iläklein, das heifst Giebel in ausgeschweiften, hakenartig gebogenen Linien 
und ausgefüllt mit Rcifelung, die den Cannelirungen der Säulen entsprechen, 
mit krausem Laubwerk und Schnörkeln; ingleichen Candelaber, welche 
Tempclchen tragen, über deren Giebel aus Wurzeln und Schnörkeln meh- 
rere dünne Stengcl sich erheben, worauf wider alle Vernunft kleine Fi- 
guren sitzen; auf Stengeln blühende Blumen, aus denen halbe Figuren 
hervorgehen, welche bald mit Menschen-, bald mit Thierköpfen versehen 
sind: lauter Dinge, dergleichen es weder giebt, noch geben kann, noch 
jemals gegeben hat. Gleichwohl," fahrt er dann nach gegebenem Nach- 
weis, dafs dies Alles unmöglich sei, fort, vsieht jedermann solche Unge- 
reimtheiten mit Augen und, weit gefehlt sie zu tadeln, findet man sogar 
Vergnügen daran, ja niemand fällt es nur ein zu überlegen, ob auch ir- 
gend etwas dergleichen sein könne oder nicht. Der Geist, von dem ver- 
dorbenen Geschmack angesteckt, vermag selbst nicht mehr gut zu finden, 
was die Gesetze des Schicklichen vorschreibenß Können wir nun auch
	        
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