Ahnenbilder.
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der Kinderschaar und den Dienerinnen, mit kunstgcübter Hand das Schiff-
lein durch die Fäden des aufgestellten Webestuhles gleiten. Doch ver-
schwunden war dieses schöne Bild stiller Häuslichkeit in späterer Zeit,
die Familienbande waren gelockert und mit ihnen die ehrwürdige Zucht;
der Verfall der Sitten hatte auch diesem Gemache einen veränderten Cha-
rakter gegeben. Wohl spiegelt sich noch der Heerd in den von einer
Fontaine bewegten Wellen des Wasserbassins, aber die mit köstlichen
Hölzern genährte Flamme beleuchtet nicht mehr die ehrwürdigen Haus-
götter; nur die Tradition der guten alten Zeit ist es, die den Altar noch
in diesen Räumen duldet. Doch noch ein anderer Schmuck spricht mah-
nend zu uns von der Zeit ehrwürdigen Familienlebens. Es sind dies die
Ahnenbilder (ivnagines maiorzun), die rings an den Wänden aus den ge-
öffneten Wandschränken (armaria) zu uns herabblicken. Ein tiefer Sinn
lag in der That in dieser alten Sitte, die Ahncnbilder gerade in diesen
Räumen aufzustellen, den Mittelpunkt des Hauses auch zum Ahnensaal
zu machen und schon die Jugend durch stetes Anschauen der Züge ihrer
Vorfahren, welche einst die Steine zum Aufbau der Macht des Vaterlan-
des herbeigctragen hatten, zur Nacheiferung aufzumuntern. In den Atrien
der alten edlen Geschlechter waren diese über dem Gesicht des Verstor-
benen geformten Masken von Wachs (cerae); unter ihnen angebrachte In-
schriften (titulus, elogiwiz) verkündeten die Namen, Würden und Thaten
des Verstorbenen. vAndeutungen ülicr den Stammbaum zogen sich aberß
wie Plinius (nat. bist. XXXV, 2) berichtet, v in Linien zu den Bildern hin,
und die Familicnarchive füllten sich mit Schriften und Denkmälern der
während ihrer Aemter von ihnen ausgeführten Thaten. Aufserhalb und
in der Nähe der Thüren befanden sich Darstellungen ihres hohen Muthes,
daneben waren die dem Feinde abgenommenen Waffen angenagelt, die
selbst der spätere Käufer des Hauses nicht entfernen durfte, und so trium-
phirten die Häuser noch, wenn sie auch längst schon ihre Besitzer ge-
wechselt hattenß Diese alte Sitte freilich verschwand, als Parvenus in
die Hallen altberühmter Geschlechter eingezogen waren oder sich mit ihrem
Golde Atrien erbauen liefsen, in denen erborgte Ahnenbilder aus Marmor
und Erz aus ihren Nischen auf den eitlen Besitzer herabschauten. Gab
es doch damals schon hungrige Gelehrte genug, welche gegen gute Be-
Zahlung Stammbäume anfertigten, deren Anfänge mindestens bis in die
Zeit des Aeneas hinaufreichten. Ueberhaupt scheint die Sucht, sich mit
Portraitstatuen zu umgeben, ziemlich allgemein gewesen zu sein, und
Pliilius erzählt in seiner sarkastischen Weise, welche er jedesmal annimmt,
sobald es sich um eine Vergleichung der Sitten seiner Zeit mit den frü-