Allgemeines.
Sitzen.
Geräthe zum
Sella.
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denen der Römer mancherlei Bedenken entgegen, die zwar bei Kunst-
werken, aus denen griechische Meisterhand unverkennbar hervorleuchtet,
sich leicht beseitigen lassen, nicht aber bei der grofsen Anzahl mittel-
mäfsiger Kunstschöpfungen, welche man nicht selten wohl mit Unrecht
als römische bezeichnet. Nur bei den einer spätrömischen Zeit angehören-
den Kunstwerken, wo der gesunkene Geschmack sich in Composition und
Ausführung überall in gleicher Weise zeigt, wo selbst die griechische Kunst
in den allgemeinen Verfall mit hinabgezogen war und römische Sitte und
Anschauungsweise die nationalen Elemente der Völker des unterjochten
Orbis verdrängt hatten, dürfen wir ohne Bedenken eine römische Kunst-
ausübung annehmen. Wie aber gestaltet sich dieses Verhältnifs der römi-
schen Kunst zur griechisehen in Pompeji, unserer Hauptquelle für die
Anschauung römischen Lebens? Als ursprünglich griechische, später aber
vollständig romanisirte Stadt hatte griechische Kunst jedesfalls ungemein
viel von dem geschalfen, was wir jetzt als römisch bezeichnen. Aus allen
Compositionen der besseren YVandgemälde und Mosaiken, aus allen kunst-
voller gearbeiteten Geräthen athmet aber griechischer Kunstgcist. Und den-
noch haben wir uns entschließen müssen, trotz dieses in Pompeji überwiegen-
den griechischen Elementes, die daselbst aufgefundenen Geräthe, Wandmale-
reien und Mosaike, wenn auch von griechischen Künstlern componirt oder
nach griechischen Vorbildern copirt, doch als römische zu bezeichnen, weil
ihre Entstehung nicht nur gröfstentheils einer Zeit angehört, in der mit der
Einführung der römischen Municipalverfassung zugleich auch nach und nach
dasrömische Element in dieser Stadt vorherrschend wurde, sondern nach-
weisbar sogar einer ihrer Zerstörung unmittelbar vorangegangenen Periode.
87. Unterwerfen wir die Geräthe zum Sitzen zunächst einer näheren
Betrachtung, so erhalten wir aus den Wandgemälden in Pompeji und Her-
culanum, aus plastischen Bildwerken, sowie durch einige theils vollständig
erhaltene, theils in Fragmenten aufgefundene Exemplare eine genügende An-
schauung für die Mannigfaltigkeit der Formen dieser Möbel. Ueberall begegnen
wir, bei dem einfachen auf sägebockartig gestellten Fiifsen ruhenden Klapp-
stuhl sowohl, wie bei dem mit vier senkrechten Beinen versehenen lehnlosen
Sessel, bei dem bald mit niedriger, bald mit hochgezogener und ausge-
hogener Lehne versehenen Stuhl ebenso, wie bei dem ehrwürdigen Throne,
griechischen Mustern (vergl. 31). Das Wort sella galt als die allgemeine
Bezeichnung für alle jene Stuhlformen, welche wir bei den Griechen unter
den Benennungen Diphroi und Klismoi zusammengefafst haben. Nur für
den mit einer Rücklehne versehenen Stuhl bedienten sich die Römer speciell