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Hypaethr:
Tempel des Apollon
bei
Phigalia.
Tempelform, welche Vitruv in seiner Uebersicht als Hypaethros bezeichnet.
Er beschreibt dieselbe, abgesehen von den Vorschriften über Säulenzahl
und sonstige Anordnungen, die hier, wie gewöhnlich mit den griechischen
Denkmälern, keineswegs übereinstimmen, mit folgenden Worten: vlm Innern
(in der Cella) giebt es Säulengänge mit doppelter Säulenstellung über-
einander, von den Wänden abstehend, zum Umhergehen, wie bei den
äufseren Säulengängen. Allein das mittlere Schiff ist unter freiem Himmel
und ohne Decke und es sind Thiiren an beiden Seiten im Vorhause und
im Hinterhause. Muster dieser Gattung befinden sich in Rom nicht, wohl
aber in Athen der achtsäulige Tempel der Minerva und der zehnsäulige
des olympischen Jupitere (nach Hirt's Uebersetzung). Unter dem acht-
säuligen Tempel der Minerva ist der Parthenon zu verstehen; "des zehn-
säuligen des olympischen Jupiter wird bei einer anderen Gelegenheit in der
Beschreibung der römischen Tempel Erwähnung zu thun sein.
Wir unterlassen es hier, auf den Streit über die Existenz oder Nicht-
existenz solcher Hypaethraltempel näher einzugehen und nehmen nach den
Resultaten älterer und neuerer Forschung das Vorhandensein derselben als
gesichert an. Ganz abgesehen von der Angabe, dafs zu der Verehrung
gewisser Götter olfene und unbedeckte Räumlichkeiten erforderlich waren,
mufs die Natur grofser Baulichkeiten beim Mangel von Fenstern und der
Unzulänglichkeit selbst grofser Thüren für die Erleuchtung des Inneren
auf die Anlage eines offenen Mittelraumes geführt haben, die überdies in
dem ollenen I-Iofe des Wohnhauses, dessen Einrichtungen so oft mit denen
des Tempels übereinstimmen, ein bestätigendes Analogon findet. So stimmt
die bauliche Nothwendigkeit mit der ausdrücklichen Ueberlieferung Vitruv's
vollständig zusammen, und auch die Betrachtung ächt griechischer Monu-
mente bestätigt die wohldurchdachtc Anlage hypaethraler Tempel im
vollsten Mafse. Ja es lassen sich verschiedene Gattungen und Formen
des lslypaethros nachweisen, die da zeigen, wie durch Cultusrücksichten
diese Anlage schon sehr früh bedingt war und wie mannigfach dieselbe
durch Form und Größe der Tempel modifieirt werden konnte. Die ein-
fachste Form eines Hypaethros haben wir in dem kleinen Tempel auf
dem Berge Ocha (Figö) kennen gelernt, wo die schmale Oelfnung in
dem Dache wahrscheinlich durch die Natur der dort verehrten Aether-
und Himmelsgötter Zeus und Hera erfordert worden ist. Zahlreichere
Beispiele hypaethraler Cellen finden sich bei den. zur Gattung des Peripteros
gehörigen Tempelnf Unter diesen heben wir zunächst den Tempel des
1 Dies ist auch der Grund, weshalb wir hier den Hypaethros einreihen und die auf
der Natur der äufseren Säulenstellung beruhende Anordnung Vitrnv's verlassen. Ein