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Pseudoperipten
Tempel zu Akmgas.
lÜ. Der Beschreibung des von); nsgimsgog, den wir nunmehr in allen
seinen verschiedenen Unterarten kennen gelernt haben, schließen wir die
Erwähnung des von Vitruv mit dem Peripteros zusammengestellten Pseudo-
peripteros an. Wie sich aus dem Namen selbst ergiebt (qrsfldog, Täu-
schung, Schein), haben wir es hier mit einem Tempel zu thun, der nur
scheinbar, nicht aber in Wirklichkeit ein Peripteros ist, das heifst ein
Pteron ringsumher hat. Pteron aber war der durch Gebälk und Decke
auf allen Seiten gebildete flügelartige Vorsprung, der von freistehenden
Säulen gestützt und getragen wurde. Fällt nun das Pteron weg, so
bleiben zwar Gebälk und Deckung bestehen, aber sie bilden keinen freien
Vorsprung mehr ringsum die Tempelcclla, das heifst sie werden nicht
von freistehenden Säulen, sondern von einer festen Mauer getragen, an
welcher Halbsiiulen oder als anderweitiger Ersatz der Säulen dienende
Pilaster (Wandpfeiler) angebracht sind. Diese Tempelform nun ist bei
den Griechen, deren Architektur auf Wahrheit beruhte, eine sehr sel-
tene, wogegen sie von den Römern (vergl. äß3) häufiger angewendet
wurde. Allerdings kennen wir einen griechischen Tempel, den man als
Beispiel des Psendoperipteros anführen könnte; aber bei ihm ist diese
Anordnung nicht getroffen, um den falschen Schein oder die Illusion eines
mit Säulen umgebenen Baues hervorzurufen, sondern dieselbe ist durch
Riicksichten auf die bedeutenden Dimensionen und die Natur des Mate-
rials nothwendig bedingt worden. Dieser Bau befand sich zu Akragas.
Akragas, vdie prachtliebende adelige Stadt, von allen die schönste, K wie
Pindar singt, war im Anfange des sechsten Jahrhunderts von Gela, einer
dorischen Pllanzstadt, auf der Südküste Siciliens gegründet worden und
hatte sich durch die Gunst der Lage, sowie durch die dem Ackerbau
günstige Natur rasch zu einer so bedeutenden Höhe des Wohlstandes und
künstlerischer Bildung erhoben, dafs die zahlreichen Ueberreste des einstigen
Glanzes noch jetzt neben denen von Selinus zu den schönsten Mustern
des älteren dorischen Baustyls gezählt werden können. Dort hat man
nicht weit von den wohlerhaltenen sogenannten Tempeln der Juno und
Concordia die Grundmauern eines kolossalen "fempclbaues aufgefunden,
welcher dem Zeus gewidmet und bei der Besiegung der Agrigentiner
durch die Karthaginienser (Ol. 93, 3 I 406 v. Chr.) bis zur Aufsetzung
des Daches vollendet gewesen zu sein scheint. Polybius und Diodor be-
wunderten noch nach Jahrhunderten die Großartigkeit seiner Ueberreste.
Die von Kockerell im Jahre 1812 zum ersten Male untersuchten Ueber-
reste bestätigen dies Lob zur Genüge. Danach hatte nämlich der Tempel
eine Länge von fast 370 engl. Fufs, die Faeade war über 182 Fufs lang