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Die römischen Villen.
Die Villa. des Hadriap zu Tibur.
dem Varro anschliefst, über die villa urbanen, dal's für sie die Anordnung
städtischer Gebäude mafsgebeild sei, nur dal's der gröfsere Raum meist
eine gröfsere Regelmäßigkeit der einzelnen T heile und insbesondere eine,
von den Alten besonders hochgeschiitzte, zweckmäfsigere Lage derselben
gestatte, als dies bei dem von Nachbarhäusern eingeengten Wohnhause in
der Stadt der Fall sei. Auch bei diesen Anlagen findet eine, den allge-
meinen Verhältnissen entsprechende Steigerung von den einfacheren An-
lagen (wie z. B. dem campanischen Linternum des älteren Scipio und dem
Arpinum der Familie des Cicero) zu behäbigeren statt, zu denen vielleicht
schon Cicero's Landsitz zu Tusculum und dessen F ormianum zu rechnen
sein dürften. Für die priichtigeren Villen scheinen die des Metellus und
Lucullus ein viel befolgtes und oft überbotenes Vorbild abgegeben zu
haben. Aus der Kaiserzeit sind uns, theils durch Beschreibungen, theils
durch erhaltene Ueberreste, einige Villen bekannt. die uns eine Anschauung
von dem Reichthum, sowie von der Mannigfaltigkeit der einzelnen Baulich-
keiten geben, welche zu derartigen Anlagen erforderlich erschienen. Denn
Plinius der Jüngere, der uns in einem Briefe (Ep. V, 6) sein Tuscum (vgl.
g 94), in einem anderen (Il, 17) seine Villa zu Laurentum beschreibt, führt
eine grofse Anzahl von Gemächern und Sälen, von Höfen und Hallen, von
Bädern und sonstigen Einrichtungen für die nach Wetter und Jahreszeit
verschieden geregelten Genüsse des Lebens an, ohne dal's, wie er aus-
drücklich bemerkt, seine Villen mit anderen gleichzeitigen Anlagen der Art,
in denen Fischteiche und Vogelhäuser, Museen und Bibliotheken zu dem
Nothwendigen gehören, sich vergleichen liefsen. Bezogen sich diese An-
gaben auf die Zeit Trajans, so ist uns aus der des kunstliebenden und
kunstverständigen Hadrian eine Villa bekannt, die dieser Kaiser sich selbst
zu Tibur angelegt halte und von deren Pracht und Mannigfaltigkeit die
zahlreichen Reste bei dem heutigen Tivoli noch jetzt beredtes Zeugnifs
ablegen. Nach den letzteren sowohl, als nach einer kurzen Beschreibung
bei Spartian (v. Iladriani 26) gesellten sich hier auf einem Gebiete
von etwa sieben römischen Miglien Umfang zu den eben erwähnten An-
lagen noch mannigfaltige andere, die auf die Benutzung einer gröfseren
Zahl von Menschen berechnet waren. Es lassen sich noch jetzt zwei
gröfsere Theater und ein kleineres, wahrscheinlich für Musikaufführungen
bestimmtes Odeum erkennen; in einer grofsen Zahl von Gemächern glaubt
man die Ueberreste von Wohnungen zu erblicken, welche für Wallfahrer
zu einem daselbst befindlichen Tempel und Orakel bestimmt waren; andere
ähnliche sehr wohl erhaltene Ueberreste, gewöhnlich vle cento camalrellee
genannt, mögen zu Wohnungen der Leibgarde des Kaisers gedient haben;