Der
römische Palastbau1
Dasgoldene Haus des Nero.
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Neubau vorzunehmen, der damals als das Aeufserste von Pracht angesehen
wurde. Als ein besonderer Beweis des Luxus, der in diesem Hause
herrschte, wird von Plinius erwähnt, dal's in dem Vorhofe desselben sich
Marmorsäulen von 38 Fufs Höhe befunden haben, die wahrscheinlich früher
zu der Ausstattung des von Scaurus errichteten Theaters gedient hatten
(vgl. g 84) und deren Gröfse, wenn man dieselben mit denen selbst der
gröfseren Wohnhäuser von Pompeji vergleicht, allerdings auf gewaltige
Dimensionen der betrelfenden Räume schliefsen läfst. Von dem Palaste
des Scaurus ist in neuester Zeit eine Restauration durch Mazois versucht
worden, welche wohl geeignet ist, eine Anschauung der darin herrschen-
den Pracht und Mannigfaltigkeit der Theile zu gewähren. Alles dies und
ähnliches aber wurde von den Bauten der Kaiserzeit übertroffen, aus der
wir hier nur das goldene Haus des Nero anführen wollen. Aus einer fast
an Wahnsinn grenzenden Baulust hervorgegangen, die selbst jenen Frevel
der bekannten Brandstiftung nicht scheute, um auf den Trümmern des
alten Roms in mafslosen Bauten Befriedigung zu finden, vereinigte dies
auf dem Palatin belegene, aber von dort durch Uebergangsbauten (domus
transitoria) auch auf andere Hügel, wie z. B. auf den Esquilin, sich er-
streckende Haus, wenn man anders es nicht vielmehr als eine Stadt zu
bezeichnen hat, alles, was überhaupt zu den Bedürfnissen oder Reizen
des öiientlichen und Privatlebens bisher ersonnen war. Nero stattete diese
gewaltigen Anlagen zugleich mit einem so unerhörten Luxus aus, dafs
die späteren Kaiser darin nur ein vermessenes und frevelhaltes Beginnen
zu erkennen vermochten und das in seiner Vereinigung der mannigfach-
sten Bauten vielleicht nie wieder erreichte Denkmal künstlerischer Tyran-
ncnlaune vom Erdboden vertilgen liefsen. Denn nicht nur, dal's Felder
und Weinberge, Waldungen und Seen in dem Umfange des Palastes
lagen, die Beschreibung der Baulichkeiten (der Vorhof war mit dreifachen
Säulenhallen umgeben und umsehlofs den 120 Fufs hohen Bronzekolofs
des Kaisers selbst) und der dabei verwendeten Materialien, wie Gold, Elfen-
bein, Perlen und Edelsteine, sowie die Fülle der aus vielen Orten Griechen-
lands gewaltsam herbeigeführten Kunstwerke, scheint über allen und jeden
Mafsstab der Veranschaulichung, geschweige denn der Restauration, hin-
auszugehen. Zu bemerken ist, dal's der palatinisehe Hügel, welcher wenig-
stens den Haupttheil des goldenen Hauses trug, auch späterhin Sitz der
kaiserlichen Residenz geblieben ist, und dal's eine grol'se Reihe noch er-
haltener unterirdischer Gemächer auf demselben der Phantasie reichen An-
lafs bieten, sich die, wenn auch nicht so übertriebenen, doch immer pracht-
vollen Wohnungen der nachfolgenden Kaiser zu vergegenwärtigen, ohne
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