Der
inmische Privatbau.
Casa di Ghampionnet zu Pompeji.
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sich daselbst verschiedene Gegenstände der Toilette und namentlich des
weiblichen Putzes vorgefunden haben, so dafs man hier mit Wahrschein-
lichkeit die Wohn- und Schlafgemächer der weiblichen Genossen des Hauses
annehmen darf. Nach der von Mazois versuchten und auf den sichersten
lndicien beruhenden Restauration dieses Hauses, von dem er einen Durch-
schnitt gieht, haben die Gemächer des oberen Stockwerkes eine geringere
Höhe gehabt, als die des unteren, und sind dieselben um die beiden grofsen
offenen Räume des Hauses so gruppirt gewesen, dal's ihre Umfassungs-
mauern sich über den Dächern des Atrium und Peristylium erhoben, ohne
diesen selbst den Zugang von Licht und Luft zu rauben. Ihre Fenster
haben sich, wenigstens was das Haupthaus betrifft, nach innen geöffnet.
Treppen in den Ncbenhäusern deuten darauf hin, dafs auch hier Ober-
geschosse angeordnet waren, deren Fenster dann freilich nach der Strafse
sich öffnen mufsten (vgl. Fig. 387).
Anders freilich als in der Provinzialstadt gestalteten sich die Ver-
hältnisse in Rom. Ursprünglich planlos, auf einem unebenen Terrain fast
durchweg mit engen, winklichen Strafsen angelegt, war hier auf einem
verhältnifsmäfsig beschränkten Raume zur Zeit der Antonine eine Bevöl-
kerung von fast ein und einer halben Million Menschen zusammengedrängt.
Nur der Reiche konnte hier ein eignes Grundstück bewohnen, während
der Mittelstand und die überwiegende Klasse der Armen auf Mieths-
Wohnungen angewiesen waren. Hier fand die Speculationswuth einen er-
giebigen Boden. Aus leichtem Fachwerk und schlechtem Material wurden
die Gebäude aufgeführt, Stockwerke thürmten sich auf Stockwerke, die
nothwendigsten Ausbesserungen wurden vernachlässigt und durch enorme
Miethspreise suchten die Häuserspeculanten die Verluste, welche durch Ein-
sturz oder Feuersbrünste zwei in Rom tagtäglich vorkommende Er-
scheinungen ihrem Kapital erwuchsen, zu decken. Drei- bis vierstöckige
Häuser waren in der Hauptstadt bereits in der Zeit_ der Republik gewöhn-
lich. Durch eine Verordnung des Kaisers Augustus durfte aber kein Privat-
gebäude auf der Strafsenfront die Höhe von 70 römischen F ufs (66 preufs.
Fufs) überschreiten, und nach dem Neronischen Brande wurde die Bau-
erlaubnifs sogar nur bis zu einer Höhe von 60 röm. Fufs ertheilt.
Zum Schlufs dieser Betrachtungen fügen wir unter Fig. 386 noch den
Durchschnitt eines regelmäfsigen und geschmackvollen Mittelhauses, der casa
di Championnet in Pompeji, hinzu, welches den Zusammenhang der Haupt-
theile auf einfacheWeise veranschaulicht. Hier bedeutet a den von der Strafse
in das Atrium führenden Flur, b das Atrium, dessen Decke von vier schlanken
Säulen getragen wird (a. corinthium) und in welchem sich die altarähnliche