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Der römische Privatbau.
Das Atrium.
auch dem Regen freien Durchlafs gewährte, mit dem unmittelbar darunter
liegenden, etwas vertieften Theile des Fufsbodens implzwizzm und com-
plzwium genannt wurde. Nun gab es einen alten Rechtssatz, dal's, wenn
ein Gefesselter das Haus des Flamen dialis beträte, seine Fesseln gelöst
und diese durch das Impluvium über das Dach auf die Strafse geworfen
werden sollten, woraus bei der Zähigkeit römischer Rechtsbestimmungen,
namentlich wenn dieselben dem Sacralrecht angehörten, mit grofser Wahr-
scheinlichkeit hervorgeht, dal's das Impluvium und somit auch das Atrium,
dessen wesentliche Gestaltung dasselbe bedingt, uothwendig mit zum ur-
sprünglichen Hause selbst gehört haben mufsten.
Versetzt man sich nun in die Einfachheit der früheren Zeiten der
römischen Geschichte zurück, so wird man kaum bezweifeln, dal's in dem
Atrium das dem römischen zum Vorbilde dienende altitalische Haus selbst
gegeben sei. Das Atrium war für das römisch-italische Haus, was der
olfene von Säulen umgebene Hof für das griechische war; der Ausgangs-
punkt, der seiner ganzen späteren Entwickelung zu Grunde lag und, als
diese Entwickelung vollzogen war, immer noch wesentlicher und Haupt-
theil desselben. So hat man denn auch das altrömische Haus auf diese
einfache Weise zu reconstruiren gesucht (vgl. Marini zum Vitruv c. III.
Fig. 2), und es würde sich, wenn auch nicht als directcr Beweis, doch
als ein nicht unwichtiger Anhaltspunkt für diese Ansieht eine altetruskische
Fig 38L Aschenkiste anführen lassen, welche zu Hoggi0
WAS) Gajello aufgefunden und unter F ig. 381 lIl der
Abbildung mitgetheilt ist. Es. hat dem Bildner
derselben olfenbar das Vorbild eines Hauses
g vorgeschwebt, wie derartige Nachbildungen von
Häusern in den Aschengefaifsen überhaupt nicht
""""iyw'hu selten sind. Man erkennt das weit vorsprin-
gende Dach, welches von Vitruv auch an den
altetruskischen Tempeln hervorgehoben wird, man erkennt die Eingangs-
thüren, man erkennt schliefslich auch das Impluvium, welches durch eine
Vertiefung in dem erhöhten mittleren Theile des Hauses angedeutet ist,
so dal's, wenn diese Bemerkungen richtig sind, das Haus, das hier zum
Vorbilde gedient, in der That nur aus einem Atrium bestanden haben
würde, dem vielleicht kleinere, schmalere Räume rings umher sich ange-
schlossen haben mögen.
Eine wirkliche Bestätigung aber findet diese Ansicht darin, dal's unter
den zahlreichen Gebäuden von Pompeji uns wirklich einige erhalten sind,
welche diese einfache Anlage zeigen und welche somit als Reminiscenzen