382
Die Umgebung der
römischen Tempel.
Sonuentempel zu
Palmyra.
dieselben nach dem oben erwähnten capitolinischen Fragment unstreitig
gestanden haben.
Den gröfsten Tempelhof aber hatte unter den uns bekannten Denk-
mälern der sogenannte Sonnentempel zu Palmyra, jener mächtigen Wüsten-
stadt, die auf der Grenze des Römerreiches gegen Parthien gelegen, von
fast allen Gattungen römischer Baukunst die gcwaltigsten und glänzendsten
Beispiele aufzuweisen hat. So mochte die offene Halle, welche, aus vier
Reihen korinthischer Säulen bestehend, in einer Ausdehnung von mehr
als 4000 F ufs die Stadt durchschnitt, wohl kaum ihres Gleichen in Rom
finden, und so steht auch der oben erwähnte Tempelhof ohne Analogie in
der so reichen Welt der römischen Denkmäler da. Derselbe nimmt ein Qua-
drat von fast 3000 Fufs im Umfang cin. Die äufsere Umfassung ist durch
eine hohe Mauer gebildet, die nach innen wie nach aufsen durch Pilaster
geziert wird und welche auf drei Seiten von regelmäfsig zwischen den
Pilastern angebrachten Fenstern durchbrochen ist. Die vierte Seite hat
keine Fenster, dagegen erhebt sieh in ihrer Mitte ein Eingangsportal,
welches als Beispiel der reichsten und glänzendsten Entfaltung der römi-
schen Architektur in den Zeiten des Kaisers Aurelian betrachtet werden
mufs. Der Hof, in den man durch dieses Portal eintritt, entspricht der
Gröfse und der Pracht des letzteren vollkommen. Jede der über 700 Fufs
langen Seiten desselben ist mit Säulenhallen geziert; die Seite des Einganges
mit einer einfachen, die drei anderen mit doppelten, das heifst solchen,
die durch zwei Säulenreihen gebildet werden. Der ganz mit Marmor-
platten bedeckte Fufsboden des Hofes zeigt zu den Seiten des Eingangs
zwei grofse und regelmäßige Vertiefungen, die zu Teichen gedient zu
haben scheinen; dem Eingange gegenüber aber und diesem mit seiner Lang-
seite zugekehrt erhebt sich der Tempel, ein Dipteros von etwa 110 Fufs
Breite und 200 Fufs Länge, dessen Eingang in der dem Portal des Hofes
zugekehrten Langseite der Cella angebracht ist; eine Abweichung von der
sonst üblichen Anlage der 'I'empel, zu welcher noch die nicht minder
seltene Anordnung von Fenstern in der Cellenmauer hinzukommt. Die
schmalen Wände der Cella zeigen im Innern je eine viereckige Nische.
Beide waren zur Aufstellung der Götterstatucn bestimmt, so dafs damit
die Nachricht übereinstimmt, Kaiser Aurelian habe hier die Bildsäulen des
Helios und des Belus aufstellen lassen. Von ihm rührt auch die Wieder-
herstellung des schon früher vollendeten Tempels her, und die verschwen-
derische Pracht, welche die Schriftsteller an dieser Wiederherstellung rühmen,
wird durch die zum Theil noch sehr wohl erhaltenen Ueberreste dieser
Anlage vollkommen bestätigt.