Der
römische Tempel.
Tempel der Sibylla zu Tivoli.
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angewendet werden, dal's wir nicht anstehen, den so gestalteten Tempel
als den specilisch römischen zu bezeichnen. Er bildet den römischen Tempel
als solchen im Gegensatz sowohl gegen den toscanischen, als gegen den
rein griechischen, deren beiderseitige Bestandtheile er zu einer künstleri-
schen und zweckmäßigen Einheit zu verschmelzen weil's.
Aber auch die einfache Form des mit nur einer Säule vorspringenden
Prostylos ist unter den römischen Denkmälern nicht selten, und es verdient
besonders hervorgehoben zu werden, dal's die römische Baukunst mehr
Beispiele dieser Anlage aufzuweisen hat, als die griechische, welche die-
selbe nur äufserst selten zur Anwendung brachte. Auch weil's Vitruv in
seiner Beschreibung des Prostylos kein griechisches Beispiel dafür anzu-
führen, wogegen er sich auf zwei römische Belege, einen Tempel des
Fig 327 Fauiius und den des Jupiter auf der Tiber-
' insel, bezieht. Wir geben unter Fig. 327
ä den Grundrifs und unter Fig. 328 den Seiten-
Q aufrifs eines kleinen Prostylos, welcher zu
w Tivoli in der Nähe des bekannten Rundtern-
gßßlß m, ä pels (vgl. Big. 338 f.) in ziemlich zerstörtem
Zustande aufgefunden worden ist. Er ist
bis zur Höhe des Capitells erhalten; die
Fig" 328 {E WVand der Cella ist mit ionischen Halbsäulen
verziert, so dal's uns hier die bei den Römern
, sehr beliebte Form eines Pseudoperipteros
f! (ä 10) entgegentritt, und auf jeder der beiden
i an, im Langseiten ist zwischen den beiden mittleren
R Säulenpaaren (die der Vorhalle hinzuge-
d" " rechnet) ein kleines nach oben verjüngtes
und mit einem zierlichen Gesims versehenes
Eng-j Fenster angebracht. Der Tempel ist nach
Canina, dem die Abbildungen entlehnt sind, in den letzten Zeiten der
Republik erbaut und vielleicht der Sibylla Tiburtina oder Albunea gewidmet
gewesen.
Die erste und nächstliegende Erweiterung bestand darin, dal's man
die Vorhalle vergrößerte und dieselbe mit zwei Säulen aus der Cella
hervortreten liefs." Auch diese Form ist nicht selten gewesen. Sie ist
aufser bei dem schon oben erwähnten Tempel der Fortuna virilis (S. Maria
Egiziaea) zu Rom auch an dem Isistempel zu Pompeji befolgt, der durch
die fast quadratische Form seines Grundrisses an die Vorschriften Vitruv's
über den toscanischen Tempel erinnert, sowie bei einem kleinen Tempel zu