des etruskischen Tempels.
Anlage
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schauung von dem Wesen und der Bedeutung der Götter ergießt, auf die
wir schon oben hingedeutet haben. Der griechische Tempel ist schlecht-
hin die Wohnung, das Haus des Gottes; der italische der dem Gotte ge-
weihte Raum, der zugleieh zur Ergründung seiner etwaigen Willensmeinung
besonders eingerichtet ist.
So ist denn der italische Tempel von Norden nach Süden gerichtet;
der nördliche Theil, gleichsam als Abbild der im Norden gedachten himm-
lischen Wohnung der Götter, ist für die Aufnahme des Bildes bestimmt;
der davor belegene südliche Theil (antica) ist, um die Beobachtung des
Himmels zu ermöglichen, nicht mit Mauern eingeschlossen, sondern wird
nur von Säulen eingenommen; auf dem Punkte, den der Augur bei der
Beobachtung einnahm, wird die Thür der Cella angelegt. Die Grundform
des Ganzen ist die eines Quadrates oder nähert sich doch Wenigstens sehr
entschieden dem Quadrate, während der griechische Tempel die Form eines
langgestreckten Oblongums hatte.
Beispiele dieser altitalischen, von den Römern als etruskisch bezeich-
neten Tempelform sind uns nicht mehr erhalten. Sie ist durch die Form
des griechischen Tempels, von der sogleich zu handeln sein wird, ver-
drängt worden. Wie tief sie indefs eingewurzelt gewesen, geht daraus
hervor, dafs zu einer Zeit, als man schon mit der Anwendung griechischer
Principien völlig vertraut war und als in Rom schon von jeder griechischen
Form mehr oder weniger prächtige Beispiele vorhanden waren, es Vitruv
doch noch für nöthig erachten konnte, genaue Anweisung wegen Herstel-
lung und Anordnung der etruskischen Tempel zu geben, so dal's also
das Bedürfnifs, dergleichen zu errichten, unzweifelhaft noch vorhanden
gewesen sein mufs.
Fig. 322.
5.: i e? 62- Nach jenen AnweisungenVitruWs(ArchJV, 7)
sind wir in Stand gesetzt, wenigstens annäherungs-
weise das Bild derartiger Tempel herzustellen. So
hat Hirt die Restauration eines kleinen Tempels ver-
n! [V k: sucht, von der Fig. 322 den Grundrifs darstellt und
i in welcher man leicht die oben angegebenen Grund-
züge der Anlage wieder erkennen wird.
in Bei weitem reicher aber gestaltete sich die Anlage
" 5km bei Tempeln von gröfserer Dimension; am reichsten
wie es scheint bei dem der eapitolinischen Gottheiten, in welchem, der
römischen Sage Zllfßlgß, Tarquinius Priscus ein Nationalheiligthum des
römischen Volkes herzustellen beabsichtigte. Er wählte dazu die höchste