348
Grundlagen des römischen T:
1mpelbaues.
festhalten lassen: die Erfordernisse, die aus der ursprünglichen italischen
Cultur hervorgehen; die Einwirkung und Nachbildung griechischer Formen
und endlich die rückwirkenden Einflüsse römischer Bildung und römischen
Geschmacks auf die von den Griechen entlehnten Grundformen und die
dadurch bewirkte Veränderung der letzteren.
Was zunächst jenen ersten Gesichtspunkt hetriift, so haben wir hier
einen, wenn auch nur flüchtigen Blick auf die religiösen Anschauungen
der altitalischen Völkerschaften zu werfen. Diese nämlich stellten sich die
Götter keineswegs in so menschlicher Gestalt und so menschlichem Wesen
vor, als die Griechen vermöge ihrer künstlerischen Anlage und ihres plasti-
schen Gestaltungstriebes dies thatenl. Von den Römern wurden dieselben
vielmehr in einer verständigen, reflectirendenWeise als die Schutzherren aller
menschlichen Verhältnisse, als die Vorbilder aller menschlichen Tugenden
aufgefafst, und indem jedes Ereignifs und jede Function der Natur ihren
besondern Schutzherrn, jede Entwiekelungsstufe des menschlichen Daseins
ihr Abbild in irgend einer Gottheit fand, und dies durch die sprachliche
Uebereinstimmung der altitalisehen Gottheiten mit den von ihnen vertre-
tenen und zugleich beschützten Momenten des physischen wie sittlichen
Lebens meist höchst klar und eindringlich ausgesprochen war, entbehrten
sie natürlich jener mehr realen Lebensfülle und Individualität, zu welcher
die Griechen die ursprünglich symbolischen Grundgedanken ihrer Götter
gesteigert hatten. Und wie sie ohne die ebenfalls griechische Zuthat eines
reich bewegten Mythenlebens blieben, waren sie andererseits auch weit
von der persönlichen Geltung entfernt, die dem Griechen den Gott als
einen wenn auch idealisirten, doch vollen und wirklichen Menschen ent-
gegentreten liefs. Von dieser menschlichen Seite ihres Erscheinens aber
entkleidet, bedurften die römischen Götter streng genommen weder der
bildlichen Darstellung, noch des schützenden Hauses.
Wenn nun aber trotzdem, theils durch einen allen auf primitiver
Entwickelungsstufe stehenden Völkern gemeinsamen Drang, theils in Folge
der bis in das höchste italische Alterthum hinaufreichenden Einwirkung
griechischer Anschauungen oder der noch älteren Gemeinsamkeit mit den"-
selben (für Rom scheint hier namentlich das tarquinischeKönigsgeschlecht
von Einflufs gewesen zu sein), sowohl Götterbilder als auch Wohnungen
derselben schon in sehr frühen Zeiten vorkommen, so haben die letzteren
doch, so weit sie rein italischen Ursprungs sind, eine von der griechischen
durchaus abweichende Form erhalten. Es beruht dies hauptsächlich darauf,
und
menschlichen
zwischen der
1 Siehe S. 7, wo der Zusammenhang
dem Tempelbau angedeutet ist.
Bildung der Götter