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Der Tod. und die Leichenbestattung.
es an Einsicht nicht zu mangeln scheint und der in Ansehn steht, auf
einer für diesen Zweck errichteten Rednerbühne die gebührende Lobrede."
Derartige Leiehenreden am Grabe waren übrigens in der classischen Zeit
nur bei öffentlichen Begräbnissen Sitte.
Die Wahl des Bestattungsortes, sowie die Art der Bestattung rich-
teten sich theils nach den Vermögensumständen des Verstorbenen, theils
nach den in verschiedenen Gegenden üblichen Sitten. In den frühesten
Zeiten sollen die Begräbnifsplätze innerhalb der Wohnung des Verstorbenen
selbst gewesen sein. Diese allzu nahe Berührung mit dem Todten jedoch,
welche als verunreinigend angesehen wurde, war in Athen und Sikyon
jedesfalls die Veranlassung, die Begräbnifsplätze aufserhalb der Stadt zu
verlegen, während in Sparta und Tarent ein Platz innerhalb der Stadt
zum Todtenfelde bestimmt war, um, wie es in der lykurgischen Gesetz-
gebung heifst, die Jugend gegen die Todtenfurcht zu stählen. Solche
Nckropolen zogen sich fast bei allen Städten vor den Thoren längs der
Landstrafsen hin, und liefern dem Alterthumsforscher die reichste Ausbeute
an jenen mannigfachen Grabmonumenten, welche in den 23 und 24
ausführlich beschrieben worden sind. Oft genug freilich mochte die, für
Athen wenigstens, gesetzliche Bestimmung, nach welcher kein Grabmal
prächtiger errichtet werden durfte, als zehn Menschen innerhalb dreier
Tage herzustellen vermochten, verletzt werden. Privatpersonen übrigens
war es gestattet, die Leichen ihrer Angehörigen auch aufserhalb dieser
Nekropolen auf ihren eigenen Feldern zu bestatten. Dafs aber das Ver-
brennen des Leichnams und die ihm folgende Beisetzung der Asche im
heroischen Zeitalter allgemein üblich war, geht aus dem Homer zur Ge-
nüge hervor; wenigstens wurde diese Ehre den griechischen Anführern zu_
Theil, und scheint sich diese Sitte neben der, die Todten zu begraben,
sei es, dafs der Leichnam in hölzerne oder thönerne Särge (loigvaij, 0096;)
eingesargt dem Schoofs der Erde übergeben (vergl. S. 94 f.) oder in Grab-
kammern beigesetzt wurde, bis zur Einführung des Christenthums erhalten
zu haben, in welcher Zeit das Begraben der Todten zum allgemeinen
Brauch wurde. Für beide Arten der Bestattung hatten die Griechen den
Ausdruck ßoimsiv, aufserdem aber speciell für Verbrennen dasWort xaistv,
für Begraben xazogürretv. Erstere Form der Bestattung scheint besonders
dann ihre Anwendung gefunden zu haben, wenn durch eine massenhafte An-
häufung von Leichen, wie auf den Schlachtfeldern oder bei der Pest in Athen,
schädliche Ausdünstungen zu befürchten standen. Auch wurde es durch das
Verbrennen leichter, die Ueberreste der in der Fremde Verstorbenen in die
Heimath zurückzuführen und den Angehörigen zur Bestattung zu übergeben.