Der Tanz.
Die theatralischen Darstellungen.
Die Zuschauer.
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stellte und denselben mit den Chorführern im Weehselgespräch auftreten
liefs, die erste abgerundete künstlerische Gestalt verlieh. Aus jenen an
den Lenäen, dem bacchisehen Winterfeste, aufgeführten Chören, wo in
den Leiden des Dionysos die ersterbende Natur geschildert wurde, ent-
stand die Tragödie, während aus den kleinen oder ländlichen Dionysien,
dem Schlufsfeste der Weinlese, die Komödie hervorging. An letzterem
Feste pflegte das Symbol der Zeugungskraft der Natur, der Phallus, im
festlichen Zuge herumgetragen zu werden, umgeben von einer jubelnden
und mit allerlei Masken und Kränzen vermummten Menge. Waren die zu
Ehren des Gottes angestimmten phallischen oder ithyphallischen Lieder
verklungen, so überliefs man sich einer ausgelassenen Lustigkeit, in der
Neckerei, Witz und Spott auf die Zuschauer gerichtet und von diesen
erwledert, die ungebundene Fröhlichkeit erhöhten. Auf die Ausbildung
der Komödie und Tragödie, sowie die Trennung des Satyrdrama's von
letzterer hier näher einzugehen, würde aber die von uns gesteckten Grenzen
überschreiten. Wir werden deshalb unsere nachfolgenden Betrachtungen
über das griechische Theater vorzugsweise auf die decorative Ausstattung
der Skene, soweit dieselbe in dem ä 30 noch nicht in Betracht gezogen
ist, sowie auf das Costiim der Schauspieler zu richten haben.
58. Werfen wir zunächst einen Blick auf den Zuschauerraum im
'I'heatcr während der Vorstellung. Gewährt auch kein antikes Monument
den Anblick eines bis in seine obersten Sitzreihen gefüllten Theaters, so
kann die Phantasie des Lesers sich doch leicht eine Vorstellung von dem
imposanten Eindruck machen, den eine solche unter dem blauen Zeltdache
eines südlichen Himmels amphitheatralisch gruppirte Volksmenge in ihren
huntfarbigen Gewändern auf den Beschauer hervorgebracht haben mag.
Schon mit der ersten Morgenröthe begannen sich die Sitzreihen mit Schau-
lustigen zu füllen, denn ein Jeder beeilte sich, gegen Erlegung des Ein-
trittsgcldes (äswgmöv) einen günstigen Platz zu erlangen. Dieses an den
Bauunternehmer oder an den Theaterpächter zu zahlende Entree von
höchstens zwei Obolen, welches seit der Erbauung eines steinernen Thea-
ters zu Athen aus Staatsmitteln den Aermeren ersetzt wurde, bildete
bekanntlich eine der bedeutendsten und drückendsten Ausgaben des athe-
nisehen Staatshaushaltes. Denn nicht allein bei den Festaufzügen an den
Dionysien, wie ursprünglich bestimmt war, sondern später auch bei an-
deren festlichen Gelegenheiten verlangte das Volk die Vergünstigung eines
freien Entree für sich, und wurde in seinen Ansprüchen an die Staats-
kasse von den Demagogen eifrigst unterstützt. So geschah es, dal's, nach-
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