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der Artemis Karyatis aufgeführte Tanz der Erwähnung, welchen uns die
Fig. 213 abgebildete Karyatide vcrgegenwärtigt. Auch den Kettentanz
(ögyog) rechnen wir hierher. ln bunter Reihe wurde dieser Reigen von
Jünglingen und Jungfrauen, welche einander an den Händen hielten, auf-
geführt; jene im kriegerischen, diese mit dem sanften und zierlichen Schritte
ihres Geschlechts tanzend, so dafs das Ganze, wie Lueian sagt, einer aus
männlicher Tapferkeit und weiblicher Bescheidenheit gelloehtenen Kette
W Fis. 308.
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glich (vergl. Fig. 308). Maniliglhche andere Tanzweisen, von denen wir
aber theilweise nur noch die Namen kennen, übergehen wir hier, und
wenden uns zu der mit dem dionysischeil Cultus zusammenhängenden mi-
mischen Festleier. Bei diesem Cultus gerade war, mehr als bei irgend
einem anderen, der tiefe Sinn, in welchem der Mythos zu den Naturereig-
nissen stand, zum Bewufstsein des Volkes gedrungen. Der gewaltige Kampf,
den die Natur von der Ertödtung alles Lebenden im Herbste und ihrer
Erstarrung im Winter bis zu ihrem Wiedererwachen im Frühling durch-
lief, war der symbolische Gedanke, welcher dem bacchischen Mythos
zu Grunde lag. Und diese Gegensätze von Trauer und Freude, welche
in dem steten Wechsel der Jahreszeiten liegen, Fanden an den dionysi-
sehen Festfeieril ihren Ausdruck in ernsten und heiteren Spielen. "Dieses
dramatische Element, welches, getragen von einer enthusiastischen Begei-
sterung, in der Verehrung des Dionysos lag, wurde der Ausgangspunkt
für die theatralischen Vorstellungen. Dem Dithyrambos, jenem begeisterten,
bald ernsten, bald heiteren Chorgesange, ersterer beim Herannahen des
Winters, dieser beim Beginn des Frühlings angestimmt, entsprachen ernste
und fröhliche Chorreigen. Zwischen den einzelnen Gesängen nun traten
die Führer des in Satyrntracht gekleideten Chores hervor und erklärten
in improvisirter Rede, den Inhalt des Chorgesanges gleichsam ergänzend
und erläuternd, die Schicksale des Dionysos nach dem jedesmaligen
Charakter des Dithyrambos bald in ernster, bald in launiger Weise.
Hierin lagen die Anlänge der dramatischen Kunst, welchen bekanntlich
Thespis dadurch, dal's er dem Chor den ersten Schauspieler entgegen-