Die Säulen.
sondere Verehrung genols. Noch mehr wird diese Ansicht bestätigt durch
die Sage, dal's gerade auf dem Berge Ocha die Göttin ihre Vermählung
mit Zeus begangen habe, so dal's man mit ziemlicher Gewilsheit annehmen
darf, das von uns betrachtete Heiligthum sei zum Gedächtnils jenes
feierlich mythischen Ereignisses auf derselben Stelle errichtet worden, Wo
dasselbe der Sage nach stattgefunden hatte.
4. Von der einfachen Form des viereckigen, von glatten Wänden
umschlossenen Hauses, wie wir dieselbe in dem Tempel der Hera kennen
gelernt haben, schritt man nun allmälig zu schöneren und reicheren Bil-
dungen vor. Diese Verschönerungen beruhten hauptsächlich auf der Hin-
zufügung der Säulen. Die Säulen sind freistehende Stützen, die zum
Tragen der Decke und des Daches dienten, und denen eine besondere
künstlerische Form und Gliederung gegeben wurde. Solche Stützen kommen
schon in den homerischcn Gedichten vor; sie wurden hauptsächlich im
Innern der dort geschilderten Königspaläste verwendet, wo z. B. die Höfe
von Säulenhallen umgehen sind und die Decke des Männersaales von ihnen
getragen wird. Aus der Verbindung dieser Stützen mit dem Tempelhause
und der verschiedenartigen Verwendung derselben im Aeufsern und im
Innern dieses letzteren gingen alle späteren Formen des griechischen Tein-
pels hervor.
Ehe wir nun diese beschreiben, haben wir die verschiedenen Arten
der Säulen selbst zu betrachten. Es lassen sich_ nämlich, ganz abgesehen
von der allmäligen Umgestaltung, welche die Säule im Verlauf der Zeiten
erlitt und deren Betrachtung der Kunstgeschichte angehört, zunächst zwei
Hauptgattungen unterscheiden, deren Kenntnifs erfordert wird, um sich
ein Bild von den verschiedenen Tempelformen selbst entwerfen zu können.
Diese beiden Säulengattungen, die man auch mit dem Namen der
Säulenordnungen zu bezeichnen pflegt, sind die dorische und die ionisehe.
Eine dritte, die korinthische Säulenordnung, ist erst in späteren Zeiten
der griechischen Kunstgeschichte in Gebrauch gekommen.
Die dorische Säule hat ihren Namen von dem griechischen Volks-
stamme der Dorier erhalten, von dem dieselbe erfunden und am häufigsten
angewendet worden ist und dessen ernstem und würdigem Charakter sie
durch ihre ganze Bildung entspricht. Sie zerfällt in zwei Theile, den
Sßhafll und das Capitell. Der Schaft besteht aus einem Stamme von kreis-
f örmigem Durchschnitt, der bis etwa auf ein Drittel seiner Höhe unmerklich
anschwlllt (ÄWWFIQ) und nach oben hin mehr oder weniger sich verjüngt,
mit Seinem breiteten unteren Ende aber unmittelbar auf der obersten