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Gymnastik und Agonistik.
Das Wagonrennen.
den Staehelstab (xävzgovy flogen die Wagen dahin, dicke Staubwolken
aufwirbelnd. Ganz ähnlich wie beim Wettlauf (vergl. S. 249) wurde die
Bahn entweder einmal ohne Umlenken um das Ziel (äxoqumov) durehmessen,
oder das Rennen auf doppelter Bahn, also der Diaulos, ausgeführt; dem
oben erwähnten Dolichos aber würde beim Wagenrennen das zwölfmalige
Durelimessen der ganzen Bahn (dwdäxazo; dgögwg) mit ausgewachsenen
Rossen, wie solches bei den Olympien, Pythien und Isthmien eingeführt
war, entsprechen. Analog dem auf S. 249 beschriebenen Örtliuyg 696510;
fand aber auch neben dem gewöhnlichen Rennen, bei dem die Wagenlenker
unbekleidet und die Rosse leicht aufgeschirrt erschienen, ein kriegerischcs
Wettfahren statt, bei dem die Agonisten, sowie ihre Rofsgespanne, in
voller Kricgsrüstung in der Rennbahn auftraten. Bot nun schon das Ter-
rain manche Hindernisse dar, indem wohl die Bahn nicht durchgängig so
geebnet war, dafs nicht ein Rütteln und Stofsen des Wagens unvermeid-
lieh gewesen wäre, so war doch die gröfste Gefahr mit dem Umlenken
um das Ziel verbunden, da ein Anstofsen an dasselbe das Umwerfen, ja
das Zertrümmern des Wagens zur Folge haben konnte. Nestor's belehrende
Worte, die er an seinen Sohn richtete, enthielten deshalb auch vorzugs-
weise eine Warnung zur Vermeidung dieser Gefahr. Wir führen die Worte
I-Iomer's an, als charakteristisch für die Art der Lenkung des Gespanns
um das Ziel:
Diesem dich hart andrängend, bellügele WVagen und Rosse;
Selber zugleich dann beug" in dem schön geflochtenen Sessel
Sanft zur Linken dich hin; und das rechte Rofs des Gespannes
Treib' mit Geifsel und Ruf, und lafs ihm die Zügel ein wenig:
WVährend dir nah am Ziele das linke Rofs sich herumdreht,
S0 dal's fast die Nabe den Rand zu erreichen dir scheinet,
Deines zierlichen Rades. Den Stein nur zu rühren vermeide,
Dafs du nicht verwundest die Ross', und den WVagen zerschmellerst.
Bei der Vorliebe der Griechen für diesen Agon, ist es natürlich, dal's die
bildende Kunst, sowie die Malerei denselben häufig zum Vorwurf ihrer
Darstellungen machten. So erscheint auf einem Wandgemälde (Fig. 261),
1 Die Mastix bestand aus einem kurzen Stahe, an dessen Spitze eine Anzahl Peitschen-
schnüre befestigt waren (Fig.2ß2); das Kentron hingegen war eine lange, vorn zugespitzte
Gerte oder ein Stecken, mit welchem der WVagenlenker von seinem Sitze aus die Pferde
zum Lauf anstachelte, ähnlich wie noch heutzutage im südlichen Italien die Fuhrleute sich
solcher spitzen Stecken zum Antreiben der Zngthiere bedienen. Wie aus einem Vasenbilde
(Müller's Denkmäler Thl. I. N0. 91b) ersichtlich ist, waren an der Spitze des Kentron
mitunter Klapperbleche befestigt.