zutreten, doch innige Zuneigung den Mann an den heimischen Heerd fes-
selte; im Allgemeinen aber galt der von den alten Philosophen, sowie in
der Gesetzgebung mehrfach ausgesprochene Grundsatz, dafs das Weib als
der von Natur schwächere Theil nicht mit dem Manne als gleichberechtigt
angesehen werden könne, in bürgerlicher Stellung mithin als unmündig
zu betrachten sei. Wir hatten freilich bei dieser kurzen Schilderung der
Stellung der griechischen Frauen besonders den durch die Züchtigkeit
seiner Jungfrauen und Frauen bekannten ionisch-attischen Stamm im
Auge. Wenn aber der Dorismus, wie wir ihn namentlich in der sparta-
nischen Verfassung kennen lernen, im Gegensatz zu der Zurückgezogenheit
des attischen Fraucnlebens, den Jungfrauen volle Freiheit liefs, sich ölfent-
lich zu zeigen und durch Leibesübungen ihren Körper zu stählen, so
entsprang diese Freiheit weniger aus dem Gesichtspunkte einer höheren
Gleichstellung und Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts gegenüber
dem männlichen, als vielmehr aus der Absicht, den weiblichen Körper liir
die Erzeugung einer gesunden Generation zu kräftigen.
Wie schon oben gesagt, war nächst der Sorge für die leibliche
Nahrung das Spinnen und Weben die Hauptbeschäftigung für die weib-
lichen Hausbewohner. Schon bei Homer sehen wir selbst die Frauen der
Edlen diesen häuslichen Geschäften sich unterziehen, und diese Sitte, im
Hause selbst die nothwendigen Kleidungstücke von den Frauen anfertigen
zu lassen, erhielt sich bis in die späteren Zeiten, wenn auch hier und da
der gesteigerte Verbrauch und Luxus einerseits, sowie die Entartung der
Frauen andererseits die Entstehung besonderer WVerkstätten und Fabrikorte
für diesen Kunstbetrieb nothwendig machte. Auch die antike Kunst hat
diese häuslichen Verrichtungen vielfach zum Vorwurf ihrer Darstellung ge-
macht. Die attische Athene Ergane und Aphrodite Urania, die argivisehe
Here, die Geburtsgöttin Ilithyia, Persephone und Artemis, sie alle schmückte
die antike Kunst als Schicksalsgöttinnen, Welche den Lebensfaden der
Sterblichen spannen, und zugleich als Beschützerinnen weiblicher WVerk-
thätigkeit mit dem Attribute häuslichen Wirkens und Schalfens, mit dem
Spinnrocken. Sind nun auch nur wenige Monumente mit der Darstellung
dieser spinnenden Gottheiten auf uns gekommen, so nehmen wir doch gern
dafür Bilder sterblicher Spinnerinnen, mit welchen Gefäfsmaler die oben
erwähnten zierlichen, vorzugsweise für den Gebrauch von Frauen bestimmten
Gefäfse zierten. Hier eines derselben. Wir erblicken (Fig. 232) eine weib-
liche Figur, welche aus dem am Boden stehenden; mit Wolle gefüllten
Kalathos den Rohstolf auf den Spinnroeken wickelt, von dem Sodann
das Gespinnst mittelst der Spindel abgesponnen wurde, eine Art des Spin-