i. Indem wir es unternehmen, das Leben der Griechen zu schildern,
insoweit sich dasselbe äufserlich darstellte und zu bestimmten Erschei-
nungen verkörperte, haben wir unsere Aufmerksamkeit vor Allem auf die
Erzeugnisse der Baukunst zu richten. Denn unter allen Schöpfungen, die
vom Geiste des Menschen ersonnen urid von Menschenhand ausgeführt
werden, sind sie es, welche den gröfsten und mächtigsten Eindruck her-
vorbringen und dem Leben der Völker das entschiedenste Gepräge zu
geben im Stande sind.
Aus der freien schöpferischen Phantasie des Menschen hervorgegangen,
haben sie eben so sehr auch gewissen Zwecken und Anforderungen des
Lebens zu dienen, und so eröffnen sie uns einen Blick in den Geist ihrer
Schöpfer und geben uns zugleich ein Bild von dem wirklichen Leben, in
Welchem sich dieselben bewegten. Was so von allen Völkern überhaupt
gilt, kann in einem um so höheren Grade von den Griechen ausgesagt
werden, als dies Volk mehr als irgend ein anderes künstlerisch begabt
und befähigt war, die innerste Natur seines Geistes auch äufserlich in
Kunstwerken zur Erscheinung zu bringen. Und wenn es nun die Anf-
gabe aller auf das griechische Alterthum bezüglichen Studien ist, uns den
Geist lmd die Sinnesweise dieses Volkes, seine Art zu dcnkenund zu
leben, zum Verständnifs zu bringen, so wird sich dieser Zweck kaum je so
ganz erreichen lassen, wenn nicht zugleich mit den Erzeugnissen ihrer
Poesie und Forschung, mit den gesetzlichen Einrichtungen des Staates
und den Lehren ihrer Religion, auch die zahlreichen und mannigfaltigen
Schöpfungen ihrer Baukunst erforscht werden, in denen sich nicht minder
als in jenen der griechische Geist und die griechische Bildung ausgesprochen
hat, und die überdies durch die sinnliche Anschauung mehr als jene geeignet
sind, uns auch in die verschiedensten Kreise des wirklichen Lebens ein-
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