Volltext: Das Leben der Griechen und Römer

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Thongefäfse. 
Gefäfsmalerei. 
Entwickelung der 
Munde werden die Lippen nur durch eine Linie angedeutet. Hände und 
Füfse sind meistentheils lang gestreckt und ohne Gliederung, höchstens 
Fig 199. dal's der Daumen weit gespreitzt sich von der Hand 
ablöst. Schultern, Ilüften, Schenkel und Waden aber 
treten in weiten Ausbiegungen hervor, während der Leib 
auffallend eingezogen erscheint (F ig. 199). Ebenso man- 
gelhaft ist die Gruppirung. Nur der dem Maler vor- 
 schwebende Vorwurf bildet das Bindeglied in der Com- 
position, während der Zusammenhang der einzelnen 
handelnden Personen ein höchst loser ist. Die Compo- 
sitionen, denen übrigens ein Streben nach Naturwahr- 
heit nicht abzusprechen ist, haben mithin einen der 
Gestalt des Epos nachgebildeten, gleichsam erzählenden Charakter. Der 
Stoff selbst ist einerseits dem Zwölf-Götterkreise, wie zum Beispiel die 
häufig wiederkehrenden Darstellungen von der Geburt der Athene, diony- 
sisclie Aufzüge u. s. w., und dem troischen und thebanischen Mythenkreise 
entnommen, andererseits ist derselbe durch Compositionen aus dem täg- 
lichen Leben, wie zum Beispiel Jagd, Agonen, Opfer, Symposien u. s. w. 
bereichert. Dieser Classe von Gefäfsen gehören auch die meisten jener 
grofsen panathenäischen Preisgefäfse an, deren bildliche Darstellungen für 
die gymnastischen Wettkämpfe eine so reiche Ausbeute liefern. 
Die dritte Classe der griechischen Vasen umfafst jene grofse Masse 
von Gefafsen, auf welchen die mittelst des Grilfels auf der rothen Grund- 
farbe des Thones umrissenen Figuren sich aus der schwarzen Färbung, 
mit welcher der nicht von Darstellungen eigenommcne Theil der Ober- 
fläche des Gefäfses überzogen ist, abheben und dadurch dem Bilde "einen 
heiteren, lebensfrischen Charakter verleihen. Diese neuc Richtung in der 
Vasenmalerci scheint sich zu einer Zeit entwickelt zu haben, als jener 
ältere Styl noch gebräuchlich war, da wir einzelne Geläfse besitzen, welche 
beide Style nebeneinander auf der Vorder- und Rückseite zeigen, bis end- 
lich die Malerei mit schwarzen Figuren gänzlich aufser Uebung kam. Mit 
der freieren Entwickelung trat das Conventionelle in der Composition mehr 
und mehr zurück, und Zeichnung und Composition geben ein Zeugnifs 
dafür, wie in solcher freien Richtung das Individuum von den Fesseln der 
Tradition sich freimachen und als selbstständig schallend aufzutreten ver- 
mochte. Die Entwickelung der staatlichenVerhältnisse Griechenlands, der 
ausgebreitete l-landelsverkehr, die überraschend grofsen Fortschritte in dem 
geistigen Leben des Volkes spiegelten sich auf das Glänzendste in dessen 
künstlerischen Leistungen ab. Dieses Streben nach edlen Formen, das Gefühl
	        
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