Volltext: Grundriss der kunstgewerblichen Formenlehre

Wir müssen uns daher schon, wollen wir uns das Bild dieser Kunst- 
epoche wenigstens theilweise vorstellen, mit abgeleiteten Beispielen 
begnügen, d. h. mit solchen, in welchen die ursprüngliche Praxis 
wohl noch gänzlich in der Idee, nicht aber völlig mehr in der aller- 
ersten primitiven Ausführung beibehalten erscheint, indem diese letz- 
tere Wandlungen durchgemacht hatte, wie sie dem Bedürfnisse und 
dem Fortschritte der Zeit entsprachen.- YVir wollen, das Verständnis 
des Gesagten zu unterstützen, zwei solche Beispiele wählen, zwei 
Beispiele, welche ihrer Natur nach dazu angethan sind, jene früheste 
Epoche mit einer für diesen Gegenstand möglichsten Deutlichkeit 
uns zu vergegenwärtigen. 
Chinesiche 
Bauanlagen. 
WVir vermögen in ihnen, da sie (dem eigenthümlichen Stillstand 
in der Culturbewegung dieses Volkes entsprechend) noch heute wie 
vor Jahrtausenden gepflogen werden, das Vorbild primitiver XVand- 
bereitung mit entschiedener Trennung von Rahmen und Teppich 
immerhin zu erblicken. 
„Die Mauer der Chinesen ist, genau genommen, nur eine in 
Ziegeln ausgeführte spanische Wand, ein Tapetengerüste; sie ist 
so wenig tragendes oder stützendes Glied, soll es so wenig scin, 
dass sie vielmehr als seitwärts Eingespanntes und vor dem Umfallen 
Gesichertes, Mobiles und von der ALast des Daches vollkommen 
Unabhängiges überall sorgfältig symbolisiert wird. Das Gerüste 
selbst, Welches die horizontalen und verticalen deckenden Raum- 
abschlüsse hält, ist ein Gemisch von Blormen, das ebensosehr der 
Holzconstruction (Tektonik), wiedem Flechtwerk (Textrie) an- 
gehört und in dieser letzteren Beziehung wieder lebhaft an die ar- 
chitektonisch behandelten Zaungetlechte der Neuseeländer erinnert. 
Die innern Abtheilungen der häuslichen Einrichtung sind bewegliche, 
meistens wirklich an der Wand herabhängende Teppiche oder durch- 
aus Gitterwerlz, oder hölzerne mit Charnieren aneinander befestigte 
Tafeln, die beliebig aufgestellt werden können, oder endlich feste 
Semper Hin seinem Hauptwerke berichtet: "Der Zaun besteht aus starken, einge- 
rammten Pfählen, zwischen welchen Zweige eingeflochten sind; die Pfähle aber 
sind an gewissen Stellen der Zaunwand, besonders an den Eingangsthoren, mit 
buntg-emaltem Schnitzwerk verziert, und zu diesem Zwecke überragen sie die 
Nebenpfähle."  "Die Pfahlköpfe sind durch fratzenhafte Menschenköpfe symbo- 
lisiert, deren Typus wohl ohne Zweifel die wirklichen Köpfe erlegter oder geopfer- 
ter und gefressener Feinde waren." u. s. w.  (Semper der „Stil" I. Band, Seite 240.)
	        
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