in der künstlerisch-technischen Bearbeitung des Stoffes im Dienste
der Zweckmäßigkeit auch nachgewiesen hat.
An Stelle der am fertigen Kunstwerke angestellten Unter-
suchungen (wie in der Ästhetik bis auf Semper zumeist geschah)
tritt bei Semper eine den innern Bildungsfactoren das sind
Stoff und Zweck Rechnung tragende, ja ihnen direet entlehnte
Betrachtungsweise über „Stil" und-"Schönheit." '
Zugleich ist mit dieser Einführung des „Stoi'l"lichen" und "Zweck-
mitßigen" als ästhetischen und also künstlerisch befiuchtenden Bil-
dungsfactoren in der bildenden Kunst ein ganz neuer und gleich-
sam natürlicher Maßstab gewonnen und hiemit in der 'Stil- und
Formenlehre etwa dieselbe Wandlung eingetreten, welche auf
einem andern Gebiete die Naturgeschichte durchgemachhhatte,
indem sie vom sogenannten nkilnstlichen" zum "natürlichen" System
tibergegangen war.
Entsprechend dieser Analogie können wir auch wahrnehmen,
dass bei Semper die „Arten" der Kunstformen auf Grundlage des
in historischer Aufeinanderfolge eintretenden Materialwechsels und
also jedesmal anknüpfend an die technische Bearbeitung des Stoffes
aus einander hervorgehen. Jede nachfolgende Form entlehnt hiebei
einiges von der ihr vorhergegangenen durch eine Art von Ver-
erbung; gleichzeitig aber auch entfaltet sie sich in ihrer Weise
originell und von der frühern verschieden nach Maßgabe der Ver-
schiedenheit des ihr zu Grundc liegenden neuen Stoffes, durch An-
passung an denselben.
Das Bcdcutsame dieser Erscheinung für die Geschichte der
Stilentwicklung ist nun leicht ersichtlich, denn, wie Semper sagt:
„Jeder Stoff bedingt seine besondere Art der bildnerischen Dar-
stellung durch die Eigenschaften, die ihn von andern Stoffen unter-
scheiden und eine ihm angehörige Technik der Behandlung er-
heischen. Ist nun ein Kunstmotiv durch irgend eine stoffliche Be-
handlung hindurchgeführt worden, so wird seine ursprüngliche Form
durch sie bestimmt wordensein, gleichsam eine bestimmte Färbung
erhalten haben; die Form steht nicht mehr auf ihrer ersten Ent-
wiklungsstufe, sondern eine mehr oder minder ausgesprochene Ver-
änderung ist mit ihr vorgegangen. Geht nun das Motiv aus dieser
zweiten oder nach Umständen auch mehrfach graduierten Umbildung
einen Stotftvechsel ein, dann wird das sich daraus Gestaltende ein
gemischtes Resultat sein, das die Urform und alle Stufen seiner
Umbildung, die der letzten Gestaltung vorangiengen, in dieser aus-