Volltext: Grundriss der kunstgewerblichen Formenlehre

wenigstens drei Bildungselemente erforderlich sind und dass im 
Übrigen diese Wirkung um so kräftiger hervortritt, je mehr solcher 
Elemente sich wiederholen.  Im Gegensatze hierzu beruht die 
Symmetrie keineswegs auf der Vielheit, sondern setzt vielmehr  ohne 
alle Ausnahme  die Zweiheit voraus, indem stets eine rechte 
Ilälfte einer linken, oder eine obere einer unteren entspricht. 1) 
Diese strenge, fastkönnte man sagen "geometrische" Natur 
der Symmetrie wird nun aber in der praktischen künstlerischen Ver- 
wendung jener gesetzmäßigen Freiheit theilhaftig, welche, obzwar sie 
niemals das Grundprincip aufhebt, dennoch seiner streng logischen, 
gleichsam wörtlichen Interpretation sich entzieht. In unserm speciellen 
Falle sind_es bloß die großen Massen, die Hauptformen, welche 
sich der symmetrischen Gesetzmäßigkeit völlig unterordnen, das or- 
namentale Detail dagegen ist mehr oder weniger hievon befreit. 
 WVenigstens hielt es auf diese Weise die Renaissancezeit, deren 
hoher Reiz und unerreichte Anmuth nicht zuletzt in dieser nFreiheit 
innerhalb des Gesetzes" zu suchen sein dürfte. 
Ganz besqnders aber gilt das Gesagte, wenn es sich um figurale 
Motive handelt, deren symmetrische Durchbildting die Renaissance 
prineipiell vermieden hat;  und sie ist hierin nur consequent, denn 
gleiehwie sie es verschmäht, Figuren streng rhythmisch anzuordnen, 
versucht sie es auch nicht, solche dem Gesetze der Symmetrie zu 
unterwerfen.  In der That haben auch zwei symmetrisch gegen- 
i) Keine Ausnahme hievon macht die zusammengesetzte Symmetrie, da, sie 
bloß in einer Summierung symmetrischer NVirkungen besteht, deren jede einzelne 
doch wieder auf der Zweiheit heruht. Es ist diesbezüglich einleuchtend, dass wir 
mit der Annahme zweier aufeinander senkrecht stehender Axen eine Symmetrie 
nach doppelter Richtung, also eine Musamrnengesetzte", zu erzielen vermögen, 
welcher beispielsweise jene des Rechteckes entspricht. Ebenso beruht auf drei, unter 
gleichen Winkeln, in einem Punkte sich schneidenden Arien die Symmetrie des 
gleichseitigen Dreieckes. Vier Axen (immer gleiche Durchsehnittswinkel voraus- 
gesetzt) lösen uns die symmetrische Wirkung des Quadrates u. s. f. 
Wenn wir schließlich die Symmetrieaxen bis ins Unendliche vermehren, ge- 
langen wir zum Symmetriepunlat. Das symmetrische Gebilde, welches dem Sym- 
metriepunkte entspricht, ist offenbar  in der Ebene  der Kreis, im Raume 
die Kugel. Wir nennen den Mittelpunkt dieser Gebilde den Symmetriepunkt, weil 
jede durch ihn geführte Axe einerseits den Kreis (oder auch die Kugel) in zwei 
symmetrische Hälften theilt, andererseits deren Umfang stets in zwei Punkten 
schneidet, die immer zu einander im Verhältnis der Symmetrie stehen. In diesem 
Sinne sind Kreis und Kugel die vollendetsten symmetrischen Gebilde: Eine Rangs- 
stellung, welcher in der häufigen Verwendung dieser Gebilde im Ornumentalen 
vollauf Rechnung getragen wird.
	        
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