Eurhythmie steht im Ornamentalen die Symmetrie; diesem entspre-
chend ist das zweithöhere Reich, das Thierreich, freilich mitein-
geschlossen der Mensch das eigentliche Entfaltungsgebiet natür-
licher Symmetrie. Fast kein Thierkörper, der nicht symmetrisch
aufgebaut Wärell) Die Proportion endlich, als das höchste unter
den ornamentalen Gesetzen, findet ihren natürlichen Ausdruck am
vollkommensten im menschlichen Leibe, denn selbst der edelste
thierische Leib hält nicht den Vergleich aus mit dem wohlgebildeten
menschlichen, wenn wir Feinheit und Ebenmaaß der Verhältnisse
ins Auge fassen. Allererst im menschlichen Leib also feiert die
Proportion ihre höchsten (Priumphe, und allererst in der Proportion
die ornamentale Kunst ihre Vollendung: Kein Wunder daher, wenn
die ornamentale Kunst in ihren höchsten Erzeugnissen sich des
menschlichen Leibes bedient als ihres edelsten Motivs.
Eurhythmie
(Reihung)
Das eurhythmische Zahlengesetz. Es folgt aus dem Wesen
des Rhythmus, dass er zu seiner Wirkung einer Wiederholung, einer
Vielheit der Elemente bedarf, und es entsteht deshalb die nahe-
liegende Frage, wie viele gleiche Elemente mindestens vorhanden
sein müssen, damit das Auge den Eindruck rhythmischer Anordnung
erhält. Vergegenwärtigen wir uns zu diesem Zwecke zunächst die
Wirkung von bloß zwei Elementen, so werden wir sofort bemerken,
dass dieselbe offenbar noch keine rhythmische genannt werden kann,
wogegen in einer Wiederkehr von auch nur drei Elementen ein
rhythmischer Effect sich schon deutlich ausspricht. Der Grund dieser
Zahlengrenze liegt nun zweifellos darin, dass bei zwei Elementen
das Gesetz der Symmetrie ganz entschieden in den Vordergrund
tritt, während bei drei Elementen durch die abermalige und aus
bloßen Gründen der Symmetrie überHüssige NViederholung der Rhyth-
mus gleichsam das Übergewicht über die Symmetrie erhält. Es
scheint demnach die Dreizahl das Minimum der zur rhythmischen
Wirkung erforderlichen Anzahl von Elementen zu sein, eine Wirkung,
die sich indessen naturgemäß mit der Anzahl dieser Elemente steigert. 2)
1) Einige Fischarten und die Mollusken, sowie die allerniedersten, an der
Grenze pßanzlichen Lebens stehenden Thierarten ausgenommen.
2) Die Eurhythmie ist in diesem Sinne nicht bloß eines der wirkungsvollsten
Mittel der Ornamentik, sondern auch der Architektur, und zwar, letztere anbelan-
an der