Das Gestelle. Zum Rahmenwerk tritt die Stütze hinzu, es
in Bezug setzend mit der Unterlage, dem Boden, jedoch so, dass
die Mobilität, die Beweglichkeit, des Systems gewahrt bleibt.
Wir haben in dieser Verbindung den Grundtypus des Möbels
vor uns, welcher solcherart principiell und von Grund aus ver-
schieden ist vom architektonischen Gezimmer, das, in fester Verbin-
dung mit seiner Unterlage, einen anderen formellen Ausdruck er-
heischt. 1)
Wir konnten in der Eintheilung des tektonischen Grundmotives
zunächst absehen von einem bestimmten Materiale und die Unter-
scheidung nach lediglich formellen Merkmalen treffen. Fassen
wir jedoch nunmehr das Materials ins Auge, so werden wir gewahr,
dass das Grundmotiv das "feste System" bei seiner Verkör-
perung nothwendig ein solches Material voraussetzt, welches den
aus der Form jenes Motives resultierenden Forderungen entspricht;
diese aber sind: Festigkeit bei stabförmiger Gestalt.
1) Dieser Unterschied zwischen Mobilität und absoluter Stabilität ist in der
That ein einschneidender und fundamentaler, groß genug, zwei Typen structiver
Kunstweise von einander zu scheiden und allen stilverwandischaftlichen Bezie-
hungen die Wage zu halten.
Um nur eines aus diesem Unterschiede resultierenden Umstandes zu gedenken, sei
hier des Maßstabes gedacht, in welchem diese beiden Werke structiver Kunst aus-
geführt werden. Beim Möbel ist derselbe bestimmt durch die Grenzen, welche die
menschliche Kraft der Bewegbarkeit eines Gegenstandes im Allgemeinen setzt, und
mit dieser Grenze erreicht er sein Maximum; er ist somit ein maximaler.
In vollem Gegensatz hiezu befindet sich die Architektur, die eben erst mit der
Größe des Maßstabes (welche die absolute Stabilität des Werkes zunächst augen-
fällig macht) ihre Wirkung erlangt Hier also ist die Grenze des Maßstabes
nach oben vollkommen offen, dagegen nach unten beschränkt, der Maßstab somit
ein minimaler. Darausfolgender constructiver Gegensatz: Beim Möbel absolut
fester Verband aller Theile, nirgends Stütze und Last in rein statischer Bedeutung;
denn zur Belastung sind die „Lasten" zu gering, die belastenden Theile zu klein.
Ein Möbel in cyelopischen Verhältnissen müsste demgemäß auch nach architektoni-
schen Principien construiert sein, ebenso wie aus demselben Grunde der Immobilität
ein absolut „'rixes" Möbel. (In diesem Sinne sind die italienischen Chorstilhle gedacht,
mit ihrer streng architektonischen Gliederung.) Ganz entgegengesetzt bei der
Architektur. Hier fehlt die absolut feste Verbindung ZWlSGlIGH Last und Stütze (im
Gedanken wenigstens), die Last ruht durch ihr Eigengewicht und steht im Gegen-
satz zur Stütze. Ein Haus, welches beweglich wäre, müsste dementsprechend
nach den Grundsätzen des Möbels gebaut sein, factisch sowohl als ästhetisch.
Glücklicherweise indessen ist man, einige zweifelhafte amerikanische Versuche aus-
genommen, noch nicht darauf verfallen. Vorerst ist uns das architektonische Werk
schon durch den bloßen Maßstab als Stabiles gekennzeichnet.