Wir wissen, dass die plastische Kunstweise ihre Formen auf
zweierlei Weise hervorbringt, entweder nämlich durch Abnehmen von
Theilen der Masse oder durch Transformation (Umformung) derselben.
Die erstere Methode ist nun vornehmlich die des Holzes und das
plastisch gestaltete Holzwcrk stets und ausnahmlos Schnitzerei, selbst
in den Theilen des in seiner Gesammtheit structiven Holzgerüstes
der Tektonik. Dagegen beruht die plastische Bearbeitung des
Metalles wesentlich auf der zweiten Methode, nämlich der Transfor-
mation der Masse. Denn die beiden metalloteehnischen Haupt-
künste; das Metallschmieden und der Metallguss, gehörenmfiieser
Methode an?)
Holz und Metall stehen somit hinsichtlich ihrer plastischen
Bearbeitungsfähigkeit in einem Gegensatze, wie er durch die beiden
plastischen Kunstmethoden repräsentiert erscheint und verursacht
wird durch den speziüsclien Unterschied in denjenigen Eigenschaften
dieser beiden Materialien, vermöge welcher sie als plastische Bild-
stoffe gekennzeichnet sind: Das ist ihre Härte, ihre Festigkeit, ihr
specifischer Aggregatzustand.
Ganz allgemein wird sich dieser Unterschied zwischen Holz und
Metall in Folgendem zusammenfassen lassen.
Das Holz setzt der Verschiebung seiner Theilchen einen ab-
soluten iViderstand entgegen, es ist nicht transformabel.
Das Metall fügt sich auf die eine oder andere Weise (durch
Gießen oder Hämmern) der Theilverschiebung, es ist transforma-bel.
Für das Holz ergibt sich daraus als erstes und wichtigstes Merkmal,
dass es in der ornamentalen Form, sofern diese nicht durch Abtren-
nung herbeigeführt wird, seine natürliche Gestalt im Wesent-
lichen beibehält. Da nun diese in der Regel geradelinig ist, d. h.
das natürliche Wachsthtlm beim Holze nach der Geraden erfolgt, so
resultiert daraus als wesentliches Merkmal der ornamentalen Form in
Holz die G eradlinigkeit. Dies wird vor allem da sich deutlich
ansprechen, wo das Holz als Balken oder Stab zur Verwendung
kommt, also in der tektonischen Construction. Selbst die freiesten
ornamentalen Detailverzicrungen des einzelnen tektonischen Elements
(des Stabes), also die Einkerbungen, Auskehlungen und alle übrigen
"Schnitzereien, welche bestimmt sind, den glatten, kantigen Stab zu
1) Die metallotechnischen Flächenkünste, wie das Gravieren, Oiselieren u. s. w.
kommen, obwohl der Methode der Theilabtrennung untergeordnet, dem plastischen
Gesammtwerke gegenüber nicht in Betracht.