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Vierter Abschnitt,
verzierung in die Hand des Setzers zu legen; aber die Kunst
wird vielfach dabei zu kurz kommen.
Kehren wir nach dieser Abschweifung zum Gegenstand zu-
rück, so ist es naheliegend, dafs der Schriftverzierung im Gebiet
der Liebhaberkünste ein grofser Spielraum und ein genügendes
Vorbildermaterial geboten ist. Sowohl die mit der Hand ver-
zierten ältern Schriften als die Zierdrucke der Renaissance geben
eine brauchbare Ausbeute. Die Malerei oder die Federzeichnung
können zur Darstellung gewählt werden oder eine Verbindung
beider. Das gilt mutatis mutandis auch da, wo nicht
Papier und ähnliche Stoffe als Unterlage dienen, so z. B. beim
Atzen der Metalle und Steine. Vielfach wird allerdings die
Wahl der Schrift durch das Unterlagmaterial und die zugehörige
Technik bedingt werden. Eine Schrift in Lederschnitt wird
wesentlich anders gestaltet werden müssen als die Inschrift eines
Seidenfächers u. s. w. Das Treffen des Richtigen wird stets am
besten durch Beibringung guter alter Vorbilder erreicht werden
können. Was andere vor uns durch Übung und Erfahrung
herausgeklügelt haben, darüber werden wir uns füglich nicht,
noch einmal von vorn beginnend, die Köpfe zu zerbrechen
brauchen. Die diesen Zeilen folgenden Tafeln geben nicht nur
eine Anzahl charakteristischer und meist mustergiltig verzierter
Initialen; sie geben auch die bekanntern ältern und neuern Schrift-
arten, die für den laufenden Text Anwendung finden können.
Für eine künstlerisch geübte Hand püegt die Ausstattung
der Initialen jedoch leichter zu sein als die Herstellung der
fortlaufenden Schrift. Ist die letztere grofs im Mafsstab und klein
in Bezug auf die Wortzahl, so hat die Sache weniger auf sich.
Man kann dann die Schrift zur Not auch konstruieren und
geometrisch einteilen oder wenigstens die nötigen Hilfslinien mit
Lineal und Zirkel ziehen, wie dies in Bezug auf einzelne Schriften
aus Figur 244 ersichtlich wird. Es ist nicht unzweckmäfsig, aus
gedruckten Alphabeten die nötigen Buchstaben sauber und genau
abzupausen und durch Übertragen richtig an einanderzureihen.
Man ziehe vor dem Pausen eine gerade Linie auf dem Pauspapier,
damit für die Stellung der einzelnen Buchstaben ein Anhalt vor-
handen ist. Nicht unwesentlich ist der Abstand zwischen den
einzelnen Buchstaben. Durch Probieren und Schieben hat man
es besser in der Hand, das Rechte zu treffen, als es beim Setzen
möglich ist. Ist die Schrift klein und umfangreich, so wird der
Fall für ungeübte Hände schwierig und man wird leicht die
Entdeckung machen, dafs die Schwierigkeit unterschätzt wurde
wenn die Schrift fertig und unschön dasteht. Mit dem Pinsel
gemalte Schriften zeigen leicht etwas Gequältes; mit der Feder
geschriebene setzen eine längere Übung voraus, wenn sie üott