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Zweiter Abschnitt.
Die verschiedenen Liebhaberkünste.
Eine Zeichnung, eine Malerei heifst „zu wellig", zu
"unbestimmt" zu weich kann sie nicht wohl sein wenn
die Darstellung nicht klar und deutlich genug zu Tage tritt; wenn
die Umrisse zu verschwommen sind oder teilweise fehlen; wenn
so sehr abgetont und ineinander hineingearbeitet wird, dafs die
nötigen Kontraste,.die plastische Wirkung nicht zur Geltung
kommen. Dieser Fall ist seltener als der erstere, da Anfänger
fast stets „zu hart" arbeiten.
Eine Zeichnung, eine Malerei heifst "gequält", wenn man
derselben die Not und Mühseligkeit der Arbeit ansieht; wenn
die erreichte Wirkung mit dem ersichtlichen Aufwand der Arbeit
im Unverhältnis steht; wenn sie den Gegensatz von "flott" und
"hingeworfen" zum Ausdruck bringt. „Es ist das Vorrecht be-
vorzugter Geister, die Spuren der Arbeit zu verbergen."
Wann eine Zeichnung, eine Malerei "unsauber" heifst,
versteht sich wohl von selber. Sie heifst aber nicht nur dann
so, wenn die Unterlage, das Papier, nicht sauber ist, sondern
besonders, wenn die Striche des Stiftes, des Pinsels zu wünschen
übriglassen.
"Manieriert" heifst eine Arbeit, wenn die Art der Dar-
stellung Eigentümlichkeiten aufweist, die sonst nicht üblich sind.
Die Manier wird stets dem Ausführenden, aber nicht immer dem
Beschauer gefallen. Es gibt demnach gute und schlechte Ma-
nieren oder Manieriertheiten.
Ein auf sich selbst angewiesenes Arbeiten führt leicht zur
Manier und Manieriertheit. Aber schon aus andern Gründen,
zum Zwecke der Belehrung überhaupt, empfiehlt es sich, auch
andere bei der Arbeit zu belauschen. Was der eine nicht weifs,
weifs der andere, hauptsächlich, wenn er dem erstern über ist.
Dafs das Kopieren guter Vorbilder, speziell von Handzeich-
nungen und Originalgemälden, nur von Vorteil sein kann, wenn
es mit dem nötigen Verständnis und mit Mafs und Ziel geschieht,
liegt ebenfalls nahe. Ebenso wichtig ist es aber, zur Förderung
des allgemeinen Verständnisses, zur Erlangung der richtigen Auf-
fassung und Empfindung, zur Fernhaltung der subjektiven Ma-
nieriertheit: möglichst viel Gutes zu sehen. Dazu sind
unsere Sammlungen, Museen, Bibliotheken und Galerien ja
gerade da. "Spazieren Sie hinein, meine Herrschaften!"
Zum Schlusse dieser Auseinandersetzung sei ein Verzeichnis
zweckmäßiger und guter Vorlagenwerke gegeben, soweit solche
dem Verfasser bekannt sind. Der kleinformatige, billige Kram
taugt für gewöhnlich nichts, wie das in der Natur der Sache liegt.
Grofse, teure Werke können sich aber die wenigsten beschaffen.
Das wäre nun schlimm, wenn sich eben nicht fast allerwärts
öffentliche Staats- und auch anderweitige Bibliotheken fänden,