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unthätige Statuen anlehnt, demnach die Decoration von
der Structur schar-f trennt, findet sich in der griechischen
Karyatide beides vereinigt, hier sind es herrlich gebildete
Frauengestalten, die thatsächlich die Functionen des Tragens
übernommen haben, es scheinen Priesterinnen der Pallas
Polias zu sein, die ruhig dastehen, eingedenk der über-
nommenen Piiichten, ihre Aufgabe erscheint nicht allzu-
schwer, sie haben bloss das Dach einer leichten Vorhalle
zu tragen und umihnen die Last noch ein wenig zu erleichtern,
hat man an dem Gebiilke, das sie zu stützen haben, den
Fries fortgelassen, an der ruhigen und elastischen Haltung
der Jungfrauen erkennt man aber, dass sie mit über-
schüssiger Kraft ihre übernommenen Verpflichtungen zu
erfüllen vermögen. Der hohen, echt griechischen Auffassung
nach trägt die Karyatide demnach die ihr auferlegte Last
thatsachlich, sie tritt somit an Stelle der Säule, das Last-
tragen aber wird ihr leicht, indem die griechische Kunst
structive Functionen im Allgemeinen nur andeuten und
durchaus nicht die statisch wirkenden Kräfte materiell
betonen will.
Neben den Karyatiden finden sich in Griechenland auch
Atlanten, diese leiten ihren Ursprung vom sagenhaften Atlas
ab, welcher an der Erstürmung des Olymps durch die
Titanen theilgenommen hatte, zur Strafe dafür musste er
das Himmelsgewölbe tragen. Nach der Auffassung Homefs
trägt er die Säulen und das Gebälke, welches den Himmel
gewissermassen als Oberstock von der Erde trennt und ihn
hindert, auf sie herabzustürzen, denn für den Griechen ruht
das Himmelsgewölbe auf dem Meere selbst und die Säulen
bilden nur eine bildliche Vermittelungß) Später sehen wir
Denkmäler des
classischen
Alterth ums
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224.