Die Völker Kleinaüens.
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Fragt man nach der Entfleliung der perfifchen Architektur, fo fcheint es
unleugbar, daß Harke Einwirkungen des griechifch-ionifchen Styles, wie er in
Kleinafien {ich ausgebildet hatte, Rattgefunden haben. Dafür fprechen das
fleinerne Giebeldach am Grabmal des Cyrus, fowie die Behandlung der Säulen-
flärnme, die weiche Form der Bafen, das dreitheilige Gebälk, die Perlenfchnüre
an Kapitülen und Gelimfen, endlich die Kapitäl-Voltiten. Selbft die wunderliche
Anwendung letzterer, die nicht liegend, fondern aufrechtflehend behandelt find,
erklärt {ich daraus, daß ein nicht eben künftlerifclu geartetes Volk in einer Periode
beginnender Ueppigkeit jene Motive entlehnte, um lie in eigenxxrilliger, durchaus
unconllzructiver, aber phantaflifch-piltanter Weite zu benutzen. Dies wurde er-
möglicht durch die leichte Bcfchaffeimheit des Oberbaues, in delfen Holzconflruktion
wir eine den vorderafiatifchen Völkern gemeinfame Eigenthtinalichkeit zu erkennen
haben. Die Form der bekrönenden Geiimfe fcheint dagegen ein von Aegypten
übertragenes Motiv zu fein, welches man in einer dem heimifchen Gefühle zu-
fagenden Weife umbildcte.
VIERTES
KAPITEL.
Kleinasiatische
Baukunst.
Klcinasien war in früher Zeit ("chon der Schauplatz einer reichen und man-
nigfachen. Culturentwickelung. Auf drei Seiten vom Meere umHoiTt-n und von
fruchtbaren, anmuthigen lHfClD umgeben, unter einem der fchönflen Himmels-
lh-iche, der alle Bedingungen eines höheren Dafeins in Fülle gewährt, mußte das
Land durch feine vorgefchobene Lage, durch die ausgedehnte Küftenbildung, durch
die nahe Verbindung mit dem Orient und Occident bald zur Aniiedelung locken.
Es fanden denn auch von allen Seiten frühzeitig Einwandcrungen flatt, fowohl
von arifcheil und femitifchen, als auch von thracifcheil und griechifchen Stämmen,
die zumeilt an den Küften und auf den Infeln {ich anfiedelten und den Grund zu
einer mannigfaltigen Cultur legten.
Während nun an der Weft- und Nordküfie fowie auf den umgebenden lnfeln
die griechifchen Anfiedler eine Reihe von fclbliändigen Staaten bildeten, treten in
hiiiorifcher Zeit außerdem als Hauptllämme die Phryger, Lyder und Lycier uns
entgegen. Die Phryger hatten den mittleren, durch waldreiche Hochebenen aus-
gezeichneten Bezirk inne; wefilich neben ihnen {aßen in der vom Mäander durch-
itrömten Landfchaft die Lyder; an der Südküile hatten {ich die Lycier ange-
iiedelt. Außerdem finden wir nördlich von den Lydern die Myfer und füdlich
von ihnen die Karer.