die unter dem Namen des Rococo verrufen ift, und {ich freilich mehr bei der
Decoration der Innenräume als am Aeußeren entfaltet hat. Die Regierungszeit
Ludwig's XV. ift die eigentliche Epoche diefes Styles. Er befteht in dem voll-
{ländigen Loslöfen der Decoration {owohl von dem baulichen Organismus, als
auch von der natürlichen Befchaifenheit des Materials. Alle Flächen werden mit
bunten, willkürlichen Ornamenten, mit Mufcheln, Laubgewinden, Fruchtfchnüren,
Blurnenfeitons überfüllt. Jede Linie geftaltet {ich dabei aufs Capriciöfeße, in
einem beftändigen kokettirenden Vibriren, üch Kräufeln, Verfchlingen und Um-
biegen: jede Schwingung fcheint {ich die Aufgabe geftellt zu haben, immer den
Weg zu nehmen, den der vernünftige Sinn am wenigften erwartet hat. Dem
Rococo ift es übrigens ziemlich gleichgültig, auf welchem baulichen Hintergrund
er feine launifchen Spiele aufführt; daher verbindet er {ich oft mit ausge-
zeichnet fchönen Verhältniffen, die er dann mit feinen zwar widerfpruchsvollen,
aber lebenfprudelnden, übermüthigen und virtuofenhaft vorgetragenen Schaum-
gebilden übertiuthet. Wir geben unter Fig. 462 und 463 Beifpiele von der frei-
lich willkürlichen und übermüthigen, aber oft geiftreichen Behandlung der For-
men, die diefen Styl auszeichnet.
England hat von allen Ländern nicht blos im {taatlichen und gefellfchaft-
liehen Leben, fondern auch in der Architektur mit größter Zähigkeit an den
mittelalterlichen Traditionen fefigehalten. Gänzlich ift der gothifche Styl in
feiner eigenthümlichen, etwas nüchtern fchematifchen Weife bis auf den heutigen
Tag dort niemals verdrängt worden. Charakteriftifch iß; befonders, daß jene
phantafievolle Frührenaiffance hier keine Stätte gefunden hat, {ondern in ziem-
lich barocker Umgeftaltung {ich kund gibt. Es i{t dies der fogenannte Elifabeth-
flyl, in welchem die Decorationsluit der Frührenaiffance mit mittelalterlichen
Rerniniszenzen und {chon beginnenden Barockformen zu einem {eltfarnen Ge-
mifch zufammenfließen, das indeß durch die malerifche Anlage und freie Grup-
pirung der Gebäude, namentlich bei den in diefem Styl erbauten Land{itzen des
Adels, einen eigenthümlichcn Reiz gewinnt. Erft mit dem 17. Jahrhundert macht
{ich der italienifche Styl auf dem Infellande geltend und wird durch Inigo
Jones, einen eifrigen Palladianer (1572-1652), ausgebreitet. Von ihm i{l
namentlich derPalafl zu Whit ehall anzuführen. Der Stolz der modern-englifchen
Architektur iß die von Chriftopher Wren von 1675 bis 1710 nach dem großen
Brande der Stadt neu erbaute S. Paulskirche zu London. In mächtigen
Dimeniionen erhebt {ich _die Kirche, dem Syflem von S. Peter zu Rom {ich an-
fchließend, doch nach dem Vorgang und Bedürfniß der englifchen Kathedralen
als Langhausbau mit ausgedehntem Chor geftaltet. Die 100 Fuß weite Kuppel,
deren Tambour vom unteren Gefimskranz an {ich verengert, und deren Spitze
zu 360 Fuß aufflteigt, ift durch ihr mächtiges Profil und eine eigenthümliche
{innreiche Conftruktion bemerkenswerth.
an
Im Uebrigen ifl hinzuzufügen, daß bis auf
Paläften und anderen Profanbauten ein eben
den heutigen Tag in England
fo fchwerfälliger als nüchterner