Michel Angelds Beifpiel, für die jüngeren Künftler, wie wir bald fehen
werden, höchft gefährlich, wirkte auf alle feine Zeitgenoffen mehr oder minder
ein. Unter ihnen ift zunächfl Vignola (Giacomo Barozzi, 1507-1573) zu
nennen. Er war für eine ftrengere Behandlung der antiken Architektur thätig
und fchrieb deshalb auch fein Werk über die Säulenordnungen, welches für die
ganze Folgezeit bis auf unfere Tage der architektonifche Canon geworden ift, bis
das Studium der hellenifchen Monumente ihn verdrängte. Unter feinen Bauten
behauptet das Schloß Caprarola zwifchen Rom und Viterbo den erflen Rang.
Es gefialtet {ich als regelmäßiges Fünfeck um einen runden Hofraum, ift in zwei
HauptgefchofTen ftreng mit Pilaflern decorirt, im unteren Gefchoß mit offenen
Bogenhallen ausgeftattet. Sodann war Vignola gleich feinem Zeit- und Kunft-
genoffen, dem Maler und Architekten Giorgio Vafari (1512-1574), an der
Villa Julius III. betheiligt, welche diefer Papft von 1550-1555 bei Rom aus-
führen ließ. Unter Vigno1a's Kirchenbauten ift die Kirche del Gefü in Rom
die wichtigfte, einfchiffig mit Kapellenreihen, Tonnengewölbe und Kuppel, von
bedeutender räumlicher Gefammtwirkung und deshalb für eine Reihe ähnlicher
Anlagen fortan das muftergültige Vorbild.
Seit der Mitte des Jahrhunderts erlebt der italienifche Palaftbau nun durch
die Schule von Genua nach gewitfen Seiten eine gefieigerte Entwickelung,
die für die fpätere Zeit manche allgemein gültige Motive ergab. Die genuelifchen
Paläfie waren durch die Enge der Straßen hauptfächlich auf impofante Entfaltung
des Inneren angewiefen, da an den Facaden nur ein ziemlich ausdruckslofer
Hochbau mit langen, dichtgedrängten Fenftern zur Geltung kam. Sie nahmen
daher die fiattliche Hofanlage mit offenen Pfeiler- oder Säulenhallen auf, brachten
aber durch eine bisher nicht gekannte Großartigkeit in der Entfaltung des Vefii-
büls und der Treppenräume ein neues Element hinzu, das im Verein mit den
Loggien des Hofes zu unvergleichlichen Gefammtwirkungen führte. Die Treppe
wird nunmehr nur ausnahmsweife nach bisher üblicher Weife in der Ecke des
Hofes angebracht; rneiftens bildet Iie, in der Hauptaxe liegend, mit zwei Armen
und fanft auffteigenden Stufen, den Zielpunkt der ganzen räumlichen Anord-
nung, oft auf gekuppelten Säulen in mächtiger Breite hinauffteigend. Eins der
erften Beifpiele diefer Anlagen gibt der Palazzo Ducale in feinen älteren Theilen
und mit der berühmten Treppe, nach 1555 von Rocco Pennone erbaut. Ein
anderes bietet der in Fig. 448 abgebildete Palafi: Balbi. Den Höhenpunkt
diefes Styles bezeichnen die Werke des Peruginer Meiflers Galeazzo Aleffi
(1500-1572). Seine vorzüglichfte Wirkfamkeit gehört Genua an, wo eine An-
zahl bedeutender Palälte von ihm zeugt. Großartigkeit der Anlage und ein
vorzüglicher Sinn für malerifche Wirkung find ihnen eigenthümlich. Ein-
fach in derbfier Ruftica und tüchtigen Verhältniffen zeigt {ich Palall: Le rcari;
im Palaft Spinola vereinigen {ich Veftibül, Treppenanlage fammt Hof, Loggien
und Garten zu impofanter Gefammttvirkung. Unter feinen Villen war der neuer-
dings völlig verunftaltete Palaft Sa uli befonders durch einen Säulenhof von