Raphael und Michelangelo; jener, der unvergleich-
liche Meister schöner Formen, dieser imponirend durch
kühne, kräftige, bis zum Excess belebte und bewegte
Formen und Gestalten. Beide fanden auch bei den
Kupferstechern ihre Verehrer und Vertreter, und
bildeten auch für den Kupferstich verschiedene Schulen
oder Richtungen. Nun aber konnten doch auch die
berühmten Coloristen, ein Corregio und Titian nicht
übersehen werden. Man bewunderte in ihnen auch
ein malerisches Element, dem der Grabstichel keinen
Ausdruck geben zu können schien, und was der Grab-
stichel nicht vermochte, suchte man mit der Radirung
zu bewirken, die besonders von den Malern um so
lieber adoptirt wurde, als sie ilmen Gelegenheit bot,
ihre flüchtigen Entwürfe leicht und ohne mühsame
Arbeit zu vervielfältigen. Und so hätten wir denn
in der weiteren Entwicklung des Kupferstichs in
Italien drei Gruppen oder Richtungen zu ver-
zeichnen, nämlich die Künstler, die sich um Raphael
und seine Schüler gruppiren; sie haben in ihrer
Technik etwas gemeinsames, so dass sie selbst eine
Schule bilden, an deren SpitzeVMarc-Anton Rai-
mondi steht. Eine zweite Gruppe umfasst die
Künstler, die sich vorzugsweise nach Michel An gelo
bildeten. Die besten Meister dieser Richtung be-
dienten sich einer verschiedenen Stichart, ohne die
Technik damit zu fördern. Eine dritte Gruppe um-
fasst meist Maler, die sich nach Titian, Corregio oder
Tintoretto bildeten und sich der Radirung bedienten.
1. Marc-Anton Raimondi ist der bedeutendste
Künstler dieser Zeit in Italien, dessen Werke noch heute
begehrt werden und in hohem Werthe stehen. Die
Vorzüge, durch welche sie sich auszeichnen, wird