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einander. Damit ist aber die Technik des Grab-
stichels zu einer Vollendung gelangt, die man als
eine abschliessende Höhe betrachten muss, die Wohl
in verschiedener Weise erreicht werden kann, auch
wohl erreicht ist, aber schwerlich überschritten
werden darf.
Wenn wir diese Stufe der Vollendung, nämlich
das Colorit zunächst nur im Portrait anerkennen, so
fragt sichs, 0b sie nicht auch für grosse historische
Darstellungen zu erreichen ist; und man muss zu-
gestehen, dass die französische Stecherschule des 17.
Jahrhunderts im Streben nach dem Colorit durch die
Verbindung des Grabstichels mit der
Radirnadel für den Kupferstich einen grossen
historischen Styl gewonnen hat.
Die Anregung und Anleitung zu der so glänzend
sich entfaltenden Grrabstichelarbeit empiingen die
Franzosen in Italien aus der Hand der Hol-
länder, die, wie Corn. Corl und Corn. Bloemaert
hier diese Technik zu beleben versucht hatten, aber
für Italien ohne bleibenden Erfolg, wie bereits ge-
zeigt ist. Augustin Carracci und besonders Franz
Villarnena und Corn. Bloemaert wurden in Italien
ihre Lehrer; die Leistungen der gleichzeitigen und
benachbarten Handrischen Künstler wurden über-
sehen und blieben unbeachtet, da die Franzosen von
Anfang an abhängig waren von der Kunst und dem
Kunstgeschmack der Italiener und an dem iiandri-
sehen Realismus und besonders an Rubens kein be-
sonderes Behagen fanden. Sie bewunderten den
Reichthum seiner Palette, die Geschicklichkeit seiner
Hand, die wunderbare Fruchtbarkeit seiner Eründungs-
gabe, aber, sagten sie, er hat die Kunst der Re-