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Regeln nichts wissen mochte, und der Willkür und
Manier Thor und Thür geöffnet hatte. Man wollte
den Laien gegenüber schön, pikant, reizend er-
scheinen und hatte sich, statt den tiefen, reineren
Impulsen der Kunst zu folgen, viel mehr dem Huc-
tuirenden Geschmack der unruhigen Menge an-
vertraut. Daraus war ein Widerstreit der Meinungen,
Hass und Neid unter den Kunstjüngern selbst ent-
standen, wie dies selbst in der Familie der Carracci's
bemerkt werden kann, die in Hannibal und Augustin
Carracci die bedeutendsten und doch unverträglich-
sten Talente der Zeit besass.
Mit dem Beginn dieser zweiten Periode sollte
diesem schmerzlich empfundenen Uebelstande Ab-
hülfe geschehen; aber die Streitenden konnten nicht
einig werden über die dazu führenden Mittel und
Wege. Die Einen meinten, man müsse zurückgehen
auf die Vorbilder der früheren Meister, ihre Vorzüge
erkennen, sie studiren und nach ihnen sich üben, so
werde die schöne goldene Zeit der Kunst wieder-
kehren. Dies waren die Eklektiker oder Aka-
demiker. Die Anderen meinten, man müsse auf das
Urbild aller Kunst, auf die unverfälschte Natur
zurückgehen; dies waren die Naturalisten. Beide
Parteien befehdeten und trennten sich.
Die Eklektiker errichteten eine Akademie in Bo-
logna (daher Akademiker), welche das Muster aller spä-
teren Akademien geworden ist. Ihre Begründer waren
Ludwig Carracci und seine beiden Neffen Augustin und
Hannibal Carracci. Ihr Grundsatz war, die Vorzüge
aller Maler kennen zu lernen, und ihre Schüler nach
ihren Eigenthümlichkeiten auszubilden. In ihren
Werken sollte sich alles Nachahmungswürdige finden,